Sonntag, 7. Februar 2016

Predigt am 7. Februar 2016 (Sonntag Estomihi)

Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete
und hätte die Liebe nicht,
so wäre ich ein tönendes Erz
oder eine klingende Schelle.
Und wenn ich prophetisch reden könnte
und wüsste alle Geheimnisse
und alle Erkenntnis
und hätte allen Glauben
(so dass ich Berge versetzen könnte)
und hätte die Liebe nicht,
so wäre ich nichts.
Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe
und ließe meinen Leib verbrennen
und hätte die Liebe nicht,
so wäre mir’s nichts nütze.
Die Liebe ist langmütig und freundlich,
die Liebe eifert nicht,
die Liebe treibt nicht Mutwillen,
sie bläht sich nicht auf,
sie verhält sich nicht ungehörig,
sie sucht nicht das Ihre,
sie lässt sich nicht erbittern,
sie rechnet das Böse nicht zu,
sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit,
sie freut sich aber an der Wahrheit;
sie erträgt alles,
sie glaubt alles,
sie hofft alles,
sie duldet alles.
Die Liebe hört niemals auf,
wo doch das prophetische Reden aufhören wird
und das Zungenreden aufhören wird
und die Erkenntnis aufhören wird.
Denn unser Wissen ist Stückwerk,
und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.
Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.
Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind;
als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.
Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht.
Jetzt erkenne ich stückweise;
dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.
Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei;
aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
1. Korinther 13, 1-13
*
Am Anfang steht ein großer Satz:
Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.
Und dann hat Gott dem Menschen den anderen Menschen zugesellt.
Und sie erkannten sich – wie im Spiegel:
Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch.
Du bist wie ich.
Ich bin wie du.
Mit-Mensch.
Und sie entdeckten einander und merkten:
Du bist anders als ich.
Ich bin anders als du.
Du hast, was mir fehlt.
Ich habe, was du brauchst.
Mit-Mensch.
Zwei Menschen, und doch ein Fleisch.
Und ein Herz und eine Seele.
Am Anfang steht die Liebe.
Am Uranfang steht die Liebe.
Und ein unausgesprochener Satz:
Es ist nicht gut, dass Gott allein sei.
Und dann hat Gott sich eine Welt geschaffen.
Und den Menschen – zu seinem Bilde.
Jetzt erkannte er sich – wie im Spiegel:
Das ist Leben von meinem Leben und Geist von meinem Geist.
Du bist wie ich.
Ich bin wie du.
Mensch nach dem Bilde Gottes.
Gott nach dem Bilde des Menschen.
Und sie entdecken einander und merken:
Der Mensch ist anders.
Und Gott ist anders.
Aber sie brauchen einander.
Gott sehnt sich nach dem Menschen
Und der Mensch sehnt sich nach Gott.
Am Uranfang steht die Liebe.
*
Es wird erzählt von einem, der wurde geliebt.
Von Menschen und Göttern.
Aber er konnte sie nicht lieben.
Aus ihnen schaute ihn nicht sein Spiegelbild an.
Sie blieben ihm fremd.
Als er sich übers Wasser beugte, sah er sein Spiegelbild.
Und verliebte sich augenblicklich.
Und verliebte sich doch nur in sich selbst.
Und blieb allein.
Narziss – der Urtyp des Menschen, der nicht lieben kann.
Er sieht nur sich.
Die anderen sind für ihn kein Gegenüber, kein Spiegel:
Nicht Leib vom eigenen Leib
und Seele von der eigenen Seele.
Nur Mittel zum Zweck, um sich selber zu bestätigen.
Vielleicht spricht er alle Sprachen der Welt.
Vielleicht ist er der Gescheiteste und Erleuchtetste von allen.
Vielleicht ist er sogar der Gerechteste und Opferbereiteste von allen.
Und doch tut er alles nur für sich.
Ein tönender Gong, ein schrilles Glöckchen.
Und doch nur ein Nichts.
Kein Weg führt vom Ich zum Du.
Und kein Weg vom Du zum Ich.
Er bleibt allein.
Am Anfang war der Satz:
Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.
*
Liebe heißt:
Du bist nicht allein.
Da ist ein Mit-Mensch.
Und da ist ein Gott.
Da ist ein Du.
Ohne Liebe bist du allein.
Ohne Liebe bist du verloren.
Ohne Liebe ist alles nichts.
Da ist ein Spiegel.
Nicht glatt geschliffen und poliert.
Sondern wellig und fleckig und beschlagen.
Ein verschwommenes Bild.
Mehr Ahnung als Kontur.
Ich sehe dich,
und ich sehe mich.
Und du siehst mich,
und ich sehe dich.
Denn ich bin auch dein Spiegel.
Verschieden sind wir, und doch verwandt.
Mensch und Mensch.
Mensch und Gott.
*
In der Mitte stehen große Sätze.
Sätze von der Liebe.
Langmütig und freundlich ist sie.
Eifersüchtig und mutwillig ist sie nicht.
Nicht selbstsüchtig und nicht nachtragend.
Sondern alles ertragend.
Sie gibt den Glauben nicht auf.
Nicht die Hoffnung.
Und nicht die Geduld.
Große Sätze von der Liebe.
Es steht nicht da:
So müsst ihr leben;
so müsst ihr sein.
Das können wir nicht.
Es steht da:
So ist die Liebe.
Die Liebe kann es.
Wenn ihr sie lasst.
*
In der Mitte steht die Liebe.
Gott und Mensch in Liebe vereint.
Jesus Christus, wahr Mensch und wahrer Gott.
Der Spiegel für Gott und Mensch.
Der Mensch schaut hinein und sieht sich.
Und sieht Gott.
Sieht sein Leiden, seine Sünde, seinen Tod.
Sieht sein Heil, seine Vollkommenheit, sein Leben.
Gott schaut hinein und sieht uns.
Und sieht sich.
Sieht unseren Glauben, unsere Hoffnung und unsere Liebe.
Sieht seine Liebe, seine Hoffnung und seine Geduld.
Wir schauen uns an im Spiegel, der Jesus Christus heißt:
Gott und Mensch, Auge in Auge.
Wir entdecken einander und merken:
Wir können nicht ohneeinander.
Er nicht ohne uns.
Wir nicht ohne ihn.
In der Mitte steht die Liebe.
Wir leben durch sie.
Wir leben in ihr.
Wir leben sie.
Denn sie lebt uns.
*
Am Ende steht ein großer Satz:
Die Liebe hört niemals auf.
Alles hat ein Ende:
Unsere Worte.
Unsere Klugheit und unsere Erleuchtungen.
Unsere guten Taten und unsere Selbstgerechtigkeit.
Der Gong verklingt.
Das Glöckchen verstummt.
Der Spiegel zerbricht.
Alles hat ein Ende.
Aber dahinter –
hinter dem Spiegel,
hinter dem Ende –
ist ER,
der gesagt hat:
Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.
Es ist nicht gut, dass Gott allein sei.
Dahinter ist die Liebe.
Gott und Mensch vereint.
Mensch und Mensch vereint.
Nicht mehr allein.
In Ewigkeit nicht.

Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

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