Sonntag, 8. Februar 2015

Predigt am 8. Februar 2015 (Sonntag Sexagesimä)

Als eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu Jesus eilten, redete er in einem Gleichnis:
„Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf. Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten’s. Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht.“ Als er das sagte, rief er: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“
Es fragten ihn aber seine Jünger, was dieses Gleichnis bedeutete. Er aber sprach: „Euch ist’s gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, den andern aber in Gleichnissen, damit sie es nicht sehen, auch wenn sie es sehen, und nicht verstehen, auch wenn sie es hören.
Das Gleichnis aber bedeutet dies: Der Same ist das Wort Gottes. Die aber auf dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. Die aber auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Doch sie haben keine Wurzel; eine Zeitlang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht. Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in feinem, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.“
Lukas 8, 4-15

I. Säen

Wir pflügen und wir streuen
den Samen auf das Land,
doch Wachstum und Gedeihen
steht in des Himmels Hand.
So geht das schöne Erntedanklied von Matthias Claudius.
Es ging ein Säman aus, zu säen seinen Samen, erzählt Jesus. Der Sämann streut den Samen auf das Land. Er streut großzügig: auch auf den Weg, der zwischen den Feldern festgetrampelt ist, auch zwischen die Dornen und die Hecken am Feldrand, auch auf den Haufen Steine dort am Rand, die er im Laufe der Jahre vom Acker aufgelesen hat. Er streut großzügig. Denn es soll viel wachsen; keine Ecke seines kleinen Stücks Land soll brach liegen. Lieber zu viel als zu wenig.
Wer kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen (2Ko 9,6). So hat es der Apostel Paulus ein paar Jahre später geschrieben.
Ist das zu großzügig, den Samen auch auf den Weg, in die Hecken und auf die Steine zu streuen? Verschwenderisch? – Nein, ist es nicht, denn knapper als das Saatgut ist die Fläche.
Ja, das ist zu allen Zeiten das Wichtigste in der Landwirtschaft: auf knapper Fläche, so viel Ertrag wie möglich zu bekommen.
Das ist es heute auch im ganz großen Maßstab. Die Ernährung von 10 Milliarden Menschen auf der Erde ist möglich. Aber nur, wenn die knappen landwirtschaftlichen Flächen möglichst hohe Erträge erzielen. Namentlich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat es da gewaltige Fortschritte gegeben. Eine grüne Revolution durch Fortschritte in der Pflanzenzucht, durch zielgenaues Düngen und auch durch grüne Gentechnik. Wenn heute landauf landab die kleinbäuerliche und so genannte biologische oder ökologische Landwirtschaft gelobt und gefördert wird, so dient das gerade nicht dem Fortschritt bei der Ernährungsfrage. Und wenn Entwicklungsorganisationen, wie – leider auch – Brot für die Welt, die kleinbäuerliche Landwirtschaft in den schwach entwickelten Ländern fördern, so dient das gerade nicht der Ernährungssicherheit. Offenbar haben wir aus unserem Gedächtnis getilgt, dass die Zeiten dieser ineffektiven, flächen- und ressourcenfressenden Landwirtschaft vergangener Jahrhunderte eben auch Zeiten von Knappheit, Hungersnöten und zumindest hoher Lebensmittelpreise waren. Auch Afrika braucht eine moderne Hochleistungslandwirtschaft, keine dörfliche Kleinfeldwirtschaft.
Also darum geht’s: um viel Frucht, einen großen Ertrag auf kleiner Fläche. Und da zählt jeder Quadratzentimeter.
Nicht überall, wo ein Samenkorn hinfällt, geht etwas auf. Aber überall, wo kein Samenkorn hinfällt, da geht garantiert nichts auf. Deshalb sät der Säman reichlich, großzügig – und so sät er im Segen.
Der Same ist das Wort Gottes. Und jeder Quadratzentimeter dieser Welt, jedes Menschenherz soll erreicht werden. Das geht nur, wenn reichlich gesät wird, selbst dorthin, wo wir wenig Hoffnung haben, dass etwas aufgeht.
Wer Ohren hat zu hören, der höre!

II. Wachsen lassen
Wir pflügen und wir streuen
den Samen auf das Land,
doch Wachstum und Gedeihen
steht in des Himmels Hand.
Steht Wachstum und Gedeihen wirklich in des Himmels Hand, in Gottes Hand? Ausschließlich?
Ich denke an unseren Garten – Garten konnte man es eigentlich nicht wirklich nennen – in Augustusburg, unserer früheren Pfarrstelle. Unser Pfarrhaus und der Pfarrgarten lagen auf einem Berg, nur das Schloss Augustusburg lag noch höher. Und wo unser Garten war, da hatte man beim Bau des Schlosses den Bauschutt und das Felsgestein, das beim Bau im Wege war, abgelagert, damals vor vielen Jahrhunderten. Unter der Rasenfläche war alles voller Steine. Am Rande, an einer Mauer gab es so was wie eine Blumenrabatte, ein kleines Beet. Dort wollten wir ein paar Zierpflanzen wachsen lassen. Erst konnten wir kaum was pflanzen oder säen, weil alles voller Steine war. Ein junger Mann aus unserer Gemeinde hat dann tagelang damit zugebracht, die auszugraben. Das war ein großer Haufen, aber als wir ein paar Pflanzen einpflanzen wollten, da war der Boden immer noch voller Steine. Die Pflege auf dem steinigen Boden war schwierig. Und dann machte sich das Unkraut breit, so hässliche Disteln, bis wir dessen nicht mehr Herr wurden. – Irgendwann war die ganze Rabatte grün überwuchert; nur ein paar wenige von unseren Blümchen blühten noch zwischen den Wildkräutern. – Natürlich, wir waren da nicht konsequent genug und nachlässig bei der Pflege; Gartenarbeit war noch nie so mein Ding. Säen, Pflanzen und Ernten schon, aber Pflegen, Jäten, Umgraben … eher nicht. Aber ohne Pflege und Bodenbearbeitung geht es nicht; da wächst nicht viel oder nur das Verkehrte.
Bei Jesus klingt das manchmal so, als ob eigentlich gar keine Pflege nötig wäre. Einmal erzählt er davon, wie die Saat von selber aufgeht, nachdem sie ausgesät worden ist, und der Bauer tut gar nichts weiter dazu, lässt es einfach nur wachsen bis zum Tag der Ernte (Markus 4, 26-29). Ein andermal spricht er davon, dass es besser sei, das Unkraut unter dem Weizen wachsen zu lassen , weil man beim Ausreißen des Unkrautes den guten Weizen ja mit ausreißen könnte (Matthäus 13, 24-30).
Aber hier in dieser Gleichnisgeschichte, da kommt es zumindest auch auf die Bodenbearbeitung und die Bodenqualität an: Steine kann man beseitigen – freilich, vor dem Säen. Unkraut kann man wegmachen. Vor oder nach der Aussaat, je nach Methode.
Wahrscheinlich war das mit dem Weg und dem Unkraut früher sogar so, dass das alles mitsamt dem Samen nach der Aussaat untergepflügt wurde. Dann hatten auch die Samenkörner eine Chance, die auf dem Weg gelandet waren, sofern die Vögel nicht schneller waren.
Wenn der Same das Wort Gottes ist, dann ist Säen nicht alles. Dann ist Gottesdienst, Predigt und, was der Verkündigung des Wortes Gottes mehr ist, nicht alles.
Manchmal klingt da oder dort eine leise Anfrage auf: Was wir da alles so machen – Tanzen, Spielen, Literatur, Film, Konzerte oder Kabarett – das hat doch mit dem Wort Gottes, mit dem Evangelium gar nichts zu tun! – Nun ja, ich glaube, es ist zumindest so was wie Bodenbereitung für das Wort Gottes. Wer Freitag in der Geselligen Runde war, ist am Sonntag vielleicht bodenmäßig aufgelockert für den Samen des Wortes.
Säen ist das Wichtigste, aber damit etwas wächst, braucht es noch mehr. Ja, Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand. Aber nicht allein. Wir sind Gottes Mitarbeiter.
Wer Ohren hat zu hören, der höre!

III. Frucht bringen
Pflanzen bringen Früchte, um sich zu vermehren. Das ist das Wichtigste: neuer Samen, damit neue Pflanzen heranwachsen können, immer und immer wieder.
Pflanzen bringen Früchte, damit andere, Mensch und Tier, davon leben können. Sie bringen einen gewaltigen Überschuss hervor: aus einem Samenkorn können hundert werden, sagt Jesus.
Theoretisch reicht es, wenn eines von den hundert Körnern wieder ausgesät wird, um wieder genug Weizen für die nächste Ernte zu bringen. Praktisch gibt es ein paar Verluste – auf dem Weg und zwischen den Steinen – und die Unsicherheit, ob die nächste Ernte wieder genauso gut wird. Deshalb tun wir vielleicht zwei oder drei von hundert Körnern zurück – als Saatgut.
Der Rest wird Mehl, Brot, Lebensmittel.
Wenn bei uns der Same des Wortes Gottes aufgeht, dann ist der Großteil Lebensmittel für uns, für unseren Glauben, damit wir im Glauben wachsen und bestehen.
Und dann gibt es noch einen kleinen Überschuss, den wir wieder aussäen können, damit neue Frucht wächst. Ein Korn oder zwei Körner. Es würde reichen für den Bestand der Kirche, wenn jeder von uns in seinem Leben nur in zwei oder drei Menschen den Glauben weckt.
Gott sei Dank, kann man das nicht so genau sehen und verrechnen! Wir wissen heute nicht, was morgen aufgeht. Wir können den Halm, der da wächst, meistens nicht mehr einem bestimmten Samenkorn zuordnen. Aber darauf kommt es ja auch nicht an.
Schlimm wäre es nur, wenn das Saatgut, der geringe Überschuss mit aufgezehrt würde. So wie es in Notzeiten manchmal gewesen ist: Der Hunger war so groß, dass nicht genügend Saatgut für die neue Aussaat blieb.
Manchmal komme ich mir vor wie in so einer geistlichen Hungersnot. Wir bereiten den Boden, wir säen und wir ernten, aber irgendwie reicht es nicht, um genügend Frucht zu bringen, um alle satt zu bekommen und genug für die neue Aussaat zu haben.
Aber dann denke ich auch wieder daran, wer eigentlich der Sämann ist und wer eigentlich Wachstum und Gedeihen gibt und wer eigentlich der Herr der Ernte ist. Und dann weiß ich: Was wir auch tun, es ist nur Mitarbeit auf dem Feld des Herrn: hier ein bisschen säen, dort ein bisschen pflegen, da ein wenig ernten.
Lasst uns das miteinander tun – in Gelassenheit und Geduld.
Wer Ohren hat zu hören, der höre!

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