Sonntag, 16. März 2014

Predigt am 16. März 2014 (Sonntag Reminiszere, Gemeindefest)

Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme. Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem verheißenen Lande wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung. Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.
Hebräer 11, 8-10


Liebe Festgemeinde,
Ich bin dann mal weg. – Ihr kennt das Buch oder habt von gehört: Hape Kerkeling auf Pilgerpfaden. Mancher hat das selbst ausprobiert, vielleicht nur mal ein Stück des Weges oder ein paar Tage: aussteigen aus dem Alltag, was ganz anderes machen, etwas mehr zu sich selber finden und vielleicht auch zu Gott. – Und dann doch wieder zurückkehren. Vielleicht kein Buch schreiben, aber davon erzählen, was das Wegsein mit mir gemacht hat.
Ich bin dann mal weg. – Habe ich vor dreieinhalb Jahren meinen Eltern, Kindern, Freunden und meiner alten Gemeinde gesagt. Wir gehen nach Teneriffa. Und sie sind aus allen Wolken gefallen. Haben sich mit uns gefreut oder Bedenken angemeldet oder um uns geweint. – Irgendwann werden wir wieder zurückkehren. Reicher an Erfahrungen und Teneriffa für immer im Herzen. Und euch.
Ich bin dann mal weg. – Sagt ihr, viele von euch, jedes Jahr im Herbst, packt eure Sachen setzt euch in den Flieger und genießt die Zeit auf der Insel. Und jetzt im Frühjahr da höre ich es wieder hier auf der Insel, Woche für Woche: Ich bin dann mal weg. Bzw. Wir wollen uns verabschieden… – Pilger zwischen den Welten. Ihr nehmt eure Eindrücke, eure Erlebnisse, eure Freundschaften mit von hier nach da und von da nach hier. – Besonders berührt es mich, wenn mir jemand sagt: Wir werden wohl nicht wiederkommen können.
Ich bin dann mal weg. – Das hat einst auch der alte Abraham gesagt. Das war eigentlich nicht ungewöhnlich. Mit seinen Herden war er oft wochen- und monatelang unterwegs: Ich bin dann mal weg. Und irgendwann war er auch wieder da. Bis zu jenem Tag, als er sagte: Ich komme nicht wieder. Ich gehe weiter, immer weiter in ein Land, das Gott mir zeigen wird. – Erst lachten sie und sagten: Du spinnst! Überleg mal, wie alt du bist! Was du dir da zumutest! – Dann trugen sie ihre Bedenken vor: Was soll werden, wenn du stirbst? Du hast doch keine Nachkommen. Und bist du dir sicher, dass du dir da nicht was ausgedacht hast, eingeredet hast von deinem Gott? – Und schließlich weinten sie, weil sie sahen, dass es ihm ernst war, und sie wussten, dass sie ihn nicht wiedersehen würden. – Immerhin, seine Frau, Sara, hielt zu ihm und ging mit; manchmal auf dem Weg hatte sie freilich nur noch bitteren Spott übrig für den Wahnsinn ihres Mannes. Vor allem, als er meinte, sie sollten jetzt noch einen Nachkommen zeugen. Dass dieser Zug abgefahren war, das wusste sie sehr genau; Oder um es biblisch auszudrücken: Es ging ihr nicht mehr nach der Weiber Weise. Ja, und immerhin, Abrahams Neffe Lot schloss sich ihm an, vielleicht aus Abenteuerlust, vielleicht aber auch deshalb, weil er beeindruckt war von dieser merkwürdigen Gottesgewissheit seines Onkels, vielleicht wollte er von ihm und mit ihm Glauben lernen.
Ich bin dann mal weg. – Das sagte viele hundert oder tausend Jahre später ein junger Zimmermann und zog zum Entsetzen seiner Mutter und seiner Brüder als Wander- und Wunderprediger durchs Land. Sie erklärten ihn für verrückt, sie wollten ihn wieder nach Hause holen, aber er ging einen anderen Weg: Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem...
Und andere hat er gerufen, mitzukommen: Folgt mir nach! Und auch die waren dann mal eben weg: Fischer ließen ihre Netze liegen, Zöllner ließen ihre Zollstation im Stich, Frauen ließen ihre Männer zu Hause sitzen und zogen mit dem Zimmermann aus Nazareth umher. Vielleicht aus Abenteuerlust, vielleicht aber auch deshalb, weil sie beeindruckt waren von seiner tiefen Gottesgewissheit, sie wollten von ihm Glauben lernen: Ich bin dann mal weg.
Abraham glaubte, dass Gott ihn gerufen hatte in ein fremdes Land, das doch das Land der Verheißung war und des Segens. Was er dort fand, war nicht die Erfüllung. Er lebte dort als mehr oder weniger freundlich geduldeter Ausländer. Er hatte kein Eigentum, keine bleibende Stadt, nur den Boden, auf den er gerade seine Füße setzte oder für ein paar Tage oder Wochen sein Zelt aufschlug. Er suchte die zukünftige Stadt Gottes; aber das einzige Eigentum, das er sich erwarb, war eine Begräbnisstätte für sich und seine Angehörigen – für die Zeit, wenn es zum letzten Mal heißen würde: Ich bin dann mal weg.
Der Zimmermann aus Nazareth glaubte, dass Gott ihn gesandt hatte in sein eigenes Land, in seine eigene Welt; aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Sie duldeten ihn nicht. Zuletzt hatte er gar keinen Boden mehr unter den Füßen: als er am Kreuz hing. Und die Begräbnisstätte, die man ihm zur Verfügung stellte, gehörte einem anderen. Sein letztes Ich bin dann mal weg hieß: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.
Und die ihm gefolgt waren bis hierher, begannen zu ahnen, was es heißt von ihm Glauben zu lernen: Gott vertrauen auf dem Weg ins Unbekannte. Gott vertrauen auf dem Weg im Unbekannten. So hatte Abraham geglaubt. So hat Jesus geglaubt. So lernen wir zu glauben.
Ich bin dann mal weg. – Aufbrüche ins Unbekannte, Leben unterwegs, unbehaust und ungesichert – das ist ein Kennzeichen derer gewesen, die von Abraham und Jesus Glauben gelernt haben. Petrus und Paulus hießen sie zum Beispiel, die unterwegs waren für ihn. Und dann folgten ihnen viele, viele andere: Missionare, Glaubensboten und geistliche Abenteurer, die den Glauben in alle Welt getragen haben. Sie waren da und dort und dann wieder weg. Auf Wegen in verheißene Länder und durch fremde Gefilde. Unterwegs zu den Menschen, unterwegs zu Gott.
Das Bild vom wandernden Gottesvolk, das war und ist ein großes Glaubenskonzept, ein dynamisches Glaubenskonzept. Das Bild einer Kirche, die sich nicht niedergelassen und häuslich eingerichtet hat, wo auch immer in der Welt, sondern einer Kirche, die unterwegs ist, die noch nicht angekommen ist und die weiß, dass sie noch nicht angekommen ist. Eine pilgernde Kirche. Eigentlich ist es eine Schande, dass das Wort Kirche bei uns meistens eine Immobilie bezeichnet. Die eigentliche Kirche ist mobil.
Ja, Gott möchte uns mobil machen. Er möchte uns Beine machen. Und ich glaube, wir, die wir zwischen verschiedenen Welten unterwegs sind und die wir es gewöhnt sind, Abschied zu nehmen, wir sind dieser Kirche von Abraham und Jesus schon ein kleines Stückchen näher als manche andere in ihrer selbstzufriedenen Sesshaftigkeit.
Ja, ihr Lieben, wenn wir sagen: Ich bin dann mal weg, dann ist in diesem flapsigen Satz oft viel mehr, als wir denken: etwas vom Gottvertrauen Abrahams und von der Gottesgewissheit Jesu.
Es ist darin der Glaube, dass jeder Abschied ein Neuanfang ist.
Es ist darin die Gewissheit, dass jeder Aufbruch an ein Ziel führt.
Es ist darin die Hoffnung, dass nach allem Vorläufigen ein Endgültiges auf uns wartet.
Es ist darin die Gewissheit, dass Gott uns führt.
Es ist darin der Glaube, dass Gott mit uns geht, wohin auch immer und bis ans Ziel.

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