Sonntag, 22. Dezember 2013

Predigt am 22. Dezember 2013 (4. Sonntag im Advent)

Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: „Dein Gott ist König!“ Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und rühmen miteinander; denn alle Augen werden es sehen, wenn der HERR nach Zion zurückkehrt. Seid fröhlich und rühmt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der HERR hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.
Jesaja 52, 7-10

Liebe Schwestern und Brüder,
Vorfreude, schönste Freude, Freude im Advent. Wer in der DDR aufgewachsen ist, kennt dieses Kinderadventslied, das zwar vom eigentlichen Inhalt von Weihnachten vollständig befreit ist, aber wenigstens noch das christliche Wort Advent aufbewahrt hat. Und eben die Vorfreude. Ja, Vorfreude ist schön. Vorfreude ist Freude auf die Freude. Nicht nur Freude auf die eigene Freude, sondern auch Freude auf die Freude der anderen. Was wird der für Augen machen! Ich freue mich jetzt schon darauf, wie er sich dann freuen wird. Freude wächst und vervielfältigt sich. Freude im Advent!
Vorfreude heißt: Ich sehe etwas kommen. Etwas, was noch nicht da ist, aber es kommt, ganz gewiss. Ich sehe, was ich eigentlich noch gar nicht sehen kann. Ich sehe es vor meinem inneren Auge. Ich stelle mir vor, wie sich die Tür zur Weihnachtsstube öffnet und ich eintrete, schon Tage und Wochen vorher. Ich sehe es vor mir, wie ein anderer mein Geschenk auspackt, ich sehe die Freude und Überraschung auf seinem Gesicht. Schon jetzt, bevor es geschieht.
Zu Weihnachten gehört die Vorfreude.
Die Hirten auf dem Feld von Bethlehem freuen sich wie verrückt und laufen los nach Bethelehem. Vorfreude auf das Kind. Vorfreude auf die Erlösung!
Die Weisen aus dem Morgenland freuen sich, als ihnen der Stern erscheint und laufen los nach Bethlehem. Vorfreude auf das Kind. Vorfreude auf die Erlösung!
Und natürlich Maria, deren Lobgesang wir in der Lesung gehört haben: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes. Vorfreude auf das Kind. Die Vorfreude einer werdenden Mutter auf auf das Kind. Und noch viel mehr: auf dieses Kind, auf Gottes Kind, auf die Erlösung!
Ja, das ist überhaupt das beste Beispiel für Vorfreude: Wir erwarten ein Kind. Da sind Fragen, Ängste, Ungewissheiten. Da bereiten wir uns vor, dass Kleidung, Windeln, Wiege, Kinderzimmer bereit ist. Und da sind in uns im Voraus die Bilder, wie wir das Neugeborene im Arm halten werden, vielleicht auch weiter, wie es heranwachsen wird, uns anlächeln, die ersten Worte, die ersten Schritte und noch viel mehr. Vor unserem inneren Auge laufen ganze Filme ab, lange bevor sie Realität werden. Vorfreude, schönste Freude!
Um so schrecklicher, wenn diese Freude abgebrochen wird. Wenn ein Kind noch vor oder bei der Geburt stirbt. Die Wiege und das Kinderzimmer leer bleiben.
Aber so ist es Weihnachten nicht. Das Kind kommt an. Was erst nur Erwartung und Vorstellung war, ist Realität – Realität im Stall von Bethlehem. Die Erwartungen wurden erfüllt. Maria gebar ihren ersten Sohn, wie es ihr der Engel verkündet hatte. Die Hirten fanden das Kind, wie es ihnen die Engel gesagt hatten. Die Weisen fanden das Kind, wie es ihnen der Stern angekündigt hatte. Die Vorfreude hat ihr Ziel gefunden. In der Weihnachtsfreude.
Unser Predigtwort kommt aus einer Zeit vor Weihnachten. Also aus der Adventszeit der Welt. Der Zeit der Erwartung und der Vorfreude. Er spricht in Bildern von der Vorfreude. Die Botschafter der Freude rufen es von den Bergen: Bald gibt’s was zu sehen für alle. Und die Wächter rühmen es auf den Zinnen: Wir sehen es schon von weitem kommen. Keine Bedrohung, keine Gefahr, sondern Grund zur Freude. Gott kommt.
Stellt euch das vor: In einer Glaubenswelt, in der man sich kein Bild und keine Vorstellung von Gott macht – weil Gott größer ist als alle Bilder und Vorstellungen – in einer Glaubenswelt, in der Gott unsichtbar ist und bleiben muss – da verkündigen Gottes Boten: Wir sehen ihn. Und aller Augen sollen ihn sehen. Alle Welt soll ihn sehen – unsern Gott! Der unsichtbare Gott wird sichtbar!
Adventszeit der Welt – das ist die Zeit, da Gott nicht zu sehen ist.
Das ist auch unsere Adventszeit: Wir leben im Glauben und nicht im Schauen, wie es in der Bibel heißt (2. Korinther 5,7). Wir kennen die Ungewissheit und den Zweifel: Gibt es Gott wirklich, von dem wir nie etwas sehen? Kommt er uns zu Hilfe, wenn wir ihn brauchen? Was wird aus uns, wenn unsere Welt in Trümmern liegt – so wie Jerusalem in Trümmern lag, damals zur Zeit des Propheten?
Mitten in unsere Adventszeit hinein schickt Gott seine Freudenboten, die sagen: Wir sehen ihn schon kommen. Ja, Gott kommt. Freut euch auf die Stunde! – Es ist Zeit der Vorfreude!
Wenn die Adventszeit zu Ende geht, kommt Weihnachten. Das Wunder von Weihnachten ist genau das: Gott kommt sichtbar zu uns. Als Kind, als Mensch, als kleiner König – im Stall und in der Krippen. Alle Welt kann es sehen: Hirt und König, Groß und Klein, Kranke und Gesunde – so werden wir es dann singen.
Die Weisen aus dem Osten bzw. die Heiligen Drei Könige, wie sie gerne genannt werden, sind zum Symbol dafür geworden, dass aller Welt enden das Heil unsres Gottes sehen. Sie stehen ja zeichenhaft für die Völker der ganzen Welt.
Weihnachten hat sich die Vorfreude der Welt erfüllt. Gott ist zu uns Menschen gekommen.
Gleichzeitig ist immer noch Advent. Denn – man könnte sagen: Gott hat sich wieder in seine Unsichtbarkeit zurückgezogen. Wir leben im Glauben und nicht im Schauen. Wir kennen die Ungewissheit und den Zweifel. Wir warten auf Gott. Manchmal freuen wir uns vielleicht sogar auf Gott.
Aber Gott sei Dank. Auch heute hat Gott seine Freudenboten, die sagen: Wir sehen ihn schon kommen. Freut euch auf die Stunde!
Freudenboten – das sind die, die schon etwas von dem gesehen haben, was kommen wird. In biblischen Zeiten waren das Engel: Himmlische Boten, die in Gottes Welt zu Hause sind und dort schon gesehen haben, worauf wir uns freuen dürfen. Und es waren Propheten: Menschliche Boten, die Einblicke in Gottes Welt erhalten haben und davon mitgeteilt haben, worauf wir uns freuen dürfen.
Und dann kam Weihnachten, und das war für jeden, der es sehen wollte der Blick in Gottes Welt, in Gottes Himmel, in Gottes Herz. Wer das Kind in der Krippe gesehen hat, der hat schon gesehen, was kommen wird. Wer Jesus begegnet ist, der hat schon gekostet von der Vorfreude auf das Kommen Gottes. Und der wird selber zum Freudenboten.
Die Kirche Jesu Christi, wir als christliche Gemeinde, wir sind heute die Freudenboten Gottes. Zumindest sollen wir es sein. Wir sind heute die Wächter auf den Zinnen, die weiter sehen als andere, die sehen: der Herr, der gekommen ist, ist der Herr, der kommen wird. Und aller Welt Enden werden sehen das Heil unseres Gottes.
Darum: Seid fröhlich und rühmt miteinander! Mitten in den Trümmern eures Lebens tanzt den Freudentanz der Erlösten, denn Gott kommt. Ihr werdet es sehen!

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