Sonntag, 29. April 2012

Predigt am 29. April 2012 (Jubilate)

Wir werden nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.
2. Korinther 4, 16-18





Liebe Schwestern und Brüder,

Ich glaube nur, was ich sehe. Ich glaube, dass bei La Gomera die rote Sonne im Meer versinkt. Ich glaube, dass die Erde eine Scheibe ist und dass da hinten irgendwo das Meer aufhört und mit dem Himmel zusammenstößt. Ich glaube, dass sich Sonne, Mond und Sterne um die Erde drehen, jeden Tag einmal. Ich glaube, dass mein Zug losfährt – bis ich merke, dass es doch der andere ist am gegenüberliegenden Bahnsteig. Ich glaube, was ich im Fernsehen sehe. Nur, was ich morgens im Spiegel sehe, das glaube ich nicht.

Ich glaube nur, was ich sehe. – Das ist das Bekenntnis des Vulgäratheismus. Ich hab's gerade erst wieder irgendwo gelesen. Du kannst dir im Internet inzwischen einen beliebigen Artikel zu einem religiösen Thema suchen; du wirst immer mindestens einen Kommentar darunter finden in dem Sinne, dass religiöse Menschen bekloppt sind, weil sie an etwas glauben, das man nicht sehen kann – oder, wenn's ein bisschen anspruchsvoller sein darf, das man nicht beweisen kann.

Aber hast du dir mal überlegt: Wenn die Menschen immer nur das geglaubt hätten, was man sehen kann, dann wäre niemals jemand losgefahren, um zu sehen, ob da auf der anderen Seite des Wassers vielleicht doch noch was ist, oder ob man vielleicht doch von der anderen Seite wieder zu Hause ankommt? Es gäbe kein elektrisches Licht und auch keine anderen elektrischen Geräte, denn Strom kann man ja nicht sehen, dürfte es also gar nicht geben. Radio, Mobiltelefon, und selbst das Fernsehen, dem wir doch so gerne glauben, das gäbe es nicht, weil es ja auch keine unsichtbaren elektromagnetischen Wellen gibt. Wir wüssten kaum etwas über den menschlichen Körper und seine Krankheiten, denn man kann ja nicht hineinsehen. Bakterien oder gar Viren? – Ein Gerücht, denn man kann sie nicht sehen. Usw. usf.

Ihr merkt schon: Dieselben Leute, die nur glauben wollen, was sie sehen, glauben doch an viel mehr, als sie sehen. Denn oft liegt ihnen gerade das naturwissenschaftliche Denken. Und das Verrückte daran ist: Das hat genau damit begonnen, dass Menschen nicht an das geglaubt haben, was sie sehen: Die Sonne versinkt im Meer? – Glaube ich nicht, hat jemand gesagt. Die Erde ist eine Scheibe? – Aber wieso komme ich nie am Rand der Scheibe an?, hat sich jemand gefragt. Könnte die Erde vielleicht auch eine Kugel sein? – Die Gestirne kreisen um die Erde. Aber warum machen manche das nicht gleichmäßig? – Wagen können nur fahren, wenn sie gezogen oder geschoben werden. Noch nie hatte jemand einen selbst fahrenden Wagen, ein Automobil gesehen, bis jemand die Idee hatte und sie umgesetzt hat. Wie verrückt muss das am Anfang gewirkt haben: Eine Kutsche ohne Pferde! Entsprechend sahen die ersten Autos ja auch noch aus.

Ich glaube, was ich nicht sehe. Vielleicht wird es einmal zu sehen sein. Vielleicht wird das Unsichtbare sichtbar, das Unmögliche möglich. Das ist die Haltung der Forscher, der Pioniere, die die Menschheit vorangebracht haben. Wir nennen solche Menschen, die etwas zu sehen vermögen, was es noch gar nicht gibt, auch Visionäre. Sie sehen das Unsichtbare.

Trotzdem: Es fällt uns Menschen für gewöhnlich schwer, zu glauben, was wir nicht sehen. Das hängt damit zusammen, dass wir Augentiere sind. Das Sehen ist für uns der wichtigste der Sinne. Personen, Gegenstände, Orte stellen wir uns zuerst und vor allem sichtbar vor: Wie sieht etwas aus? Welche Farbe, welche Form, welches Gesicht, welche Haltung? – Danach orientieren wir uns zuerst. Wenn ich jemanden beschreiben soll, dann sage ich bestimmt zuerst: die große Frau mit den blonden Haaren, und nicht: die, die immer dieses besondere Parfüm nimmt, oder: die mit der schönen warmen Stimme. Wir orientieren uns am Sichtbaren.

Aber das hat eben auch Nachteile: Was wir sehen, ist für gewöhnlich nur die Oberfläche der Dinge oder auch die Oberfläche der Menschen. Es ist der Augenschein, das Äußere.

Wonach orientieren sich Menschen bei der Partnerwahl? Es ist nachgewiesen: Entgegen allen anderslautenden Beteuerungen spielt das Äußere dabei eine ganz wichtige Rolle.

Und entsprechend achten wir auch bei uns selber auf die Äußerlichkeiten: Wie sehe ich aus? Wie steht es um meine Figur? Was ziehe ich an? Was steht mir? Wie schminke ich mich? Usw. usf.

Manchmal denke ich: Wenn doch all die schönen Frauen genau so viel Zeit auf die Pflege ihres Charakters, ihrer inneren Werte legen würden, wie auf die Pflege ihres Äußeren!

Und manchmal denke ich: Wenn dieser oder jener doch mehr auf die inneren Werte sehen könnte, als auf die Äußerlichkeiten, ihm würde manche Enttäuschung erspart bleiben!

Wenn du nur glaubst, was du siehst, dann ist Liebe eben auch nur Sex.

Zu glauben, was wir nicht sehen, zu sehen, was noch nicht da ist, das unsichtbare Innere wichtiger zu nehmen, als das sichtbare Äußere – das ist die Wahrnehmungsweise des Glaubens. Es ist eine andere Lebenshaltung als die, die wir gewöhnlich haben. Damit bleiben wir nicht an der Oberfläche, sondern gehen in die Tiefe.

Unser äußerer Mensch verfällt. – Wir können noch so viel Zeit und Geld in unser gepflegtes Äußeres investieren. Wir können eine noch so gesunde Lebensweise pflegen, indem wir uns einreden, dass es unserem Körper gut tut, wenn wir ihn quälen. Wir können noch so tapfer leugnen, dass das Gegenüber, das uns morgens aus dem Spiegel anschaut, wir selber sind. – Wir kommen trotzdem nicht daran vorbei, dass unsere Jugendfrische nachlässt, unsere Kräfte weniger werden und unsere Gesundheit labiler ist als früher.

Nur wenn das alles ist, was wir haben – Jugend, Schönheit, Gesundheit –, dann sind wir wirklich arm dran. – Wenn das die wichtigsten Werte im Leben sind, dann zeigt das im wahrsten Sinne des Wortes, wie oberflächlich wir geworden sind. Das alles ist eben nur der äußere Mensch. Und der verfällt.

Eine ganze Weile kann man versuchen, das nicht zu glauben, es oberflächlich zu kaschieren. Es wird um so plötzlicher und erschreckender sichtbar werden. Und dann nur glauben, was wir sehen, heißt: an den Tod glauben. Er behält doch das letzte Wort.

Freilich, das wollen wir dann auch nicht mehr sehen. Wir verschließen unsere Särge und stellen stattdessen ein Foto darauf, damit wir der Wahrheit des Todes nicht ins Auge blicken müssen.

Mit der Wahrnehmungsweise des Glaubens sehen wir beides: Ja, der äußere Mensch verfällt. Ja, das Sichtbare ist dem Vergehen geweiht. Das leibliche Leben endet in Tod und Verwesung. Aber wir sehen eben auch die andere Seite, die Tiefendimension des Lebens: Der innere Mensch wird von Tag zu Tag erneuert. Das, was wir wirklich sind – wenn wir denn mehr sind, als man äußerlich von uns sieht, wenn wir mehr sind als unsere gepflegte Benutzeroberfläche –, das, was wir wirklich sind, unsere Seele, unser Geist, unser Betriebssystem, Christus in uns, das verfällt nicht, das geht nicht kaputt, das veraltet nicht, das lebt und bleibt und es ist jeden Tag wieder wie neu. Es hat eine Qualität, die sichtbare Dinge nicht haben können. Es ist unsichtbar, aber es ist ewig.

Mit der Wahrnehmungsweise des Glaubens können wir auch erkennen, dass das sichtbare Leiden, unsere Trübsal, wie der Apostel sich ausdrückt, nicht alles ist. Es bleibt doch an der Oberfläche. Was auch immer Schreckliches geschieht in unserem Leben, es ist nicht alles, und es trifft nicht die unsichtbare, ewige Mitte unserer Existenz. Es wiegt nicht so schwer wie die ewige Herrlichkeit, die Gott uns schenkt.

Unser Gottesdienst, unsere christliche Gemeinde, sie sind dazu da, dass wir diese Wahrnehmungsweise des Glaubens immer wieder üben. Eben weil wir so leicht an der sichtbaren Oberfläche bleiben – Augentiere, die wir sind –, eben darum brauchen wir die Erinnerung an die Tiefendimension unseres Lebens, an die inneren Werte, an das, was ewig bleibt.

Sonntag, 22. April 2012

Predigt am 22. April 2012 (Miserikordias Domini)

Die Ältesten unter euch ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden Christi, der ich auch teilhabe an der Herrlichkeit, die offenbart werden soll: Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde. So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen.
1. Petrus 5, 1-4





Liebe Schwestern und Brüder,

Jesus sagt: Ich bin der gute Hirte. Wir haben es in der Evangelienlesung (Johannes 10, 11-16. 27-30) gehört. Und nun heißt es: Ihr seid die guten Hirten. Jedenfalls: Ihr sollt gute Hirten sein!

Es ist dieselbe Logik, die wir schon mit dem Lichtwort von Jesus kennen: Er sagt: Ich bin das Licht der Welt, und er sagt: Ihr seid das Licht der Welt.

Wenn Jesus der gute Hirte ist, folgt daraus nicht – oder nicht nur –, dass wir brave Lämmer sein sollen, sondern dass wir gute Hirten sein sollen.

Wir? – Unser Predigttext hat eher einen exklusiven Adressatenkreis: die Ältesten unter euch, wörtlich: die Presbyter. In manchen Gegenden ist dieses Wort geläufig: Presbyter; in anderen Gegenden oder auch hier bei uns sagen wir Kirchenvorsteher. Noch anderswo, so wie Luther es übersetzt hat, Älteste. – Dann wäre unser Predigttext eigentlich nur an die Kirchenvorsteher gerichtet. – Dieter und Martina, ihr bleibt bitte hier; die anderen können jetzt gehen!

Die andere kirchliche Tradition, die ältere, die katholische, versteht unter Presbytern Priester. Aus den Ältesten in den Gemeinden der neutestamentlichen Zeiten wären dann die Priester hervorgegangen. – Und wenn wir auf der evangelischen Seite von Pastoren sprechen, dann sind wir wieder wörtlich bei den Hirten angelangt: Ihr seid die guten Hirten. – Also: Dieter und Martina, ihr könnt jetzt auch gehen; dieser Text ist nur für mich! – Und nächste Woche kommt ihr dann alle wieder, meine Schäflein! Willkommen in der Pastorenkirche!

Aber vielleicht interessiert es euch doch schon heute, wie das mit den Hirten gemeint sein könnte und wie das bei uns aussehen könnte mit dem Pastor und den Kirchenvorstehern, mit den großen und den kleinen Schafen unserer Herde, mit Führung und Verantwortung, mit Hierarchie und Demokratie in der christlichen Gemeinde. – Dann bleibt hier und hört mir noch ein wenig zu!

Im Grunde genommen geht es um eine ganz spannende Frage: Wer hat das Sagen in der christlichen Kirche, in der christlichen Gemeinde? – Und da stehen sich zwei Modelle gegenüber: das hierarchische und das demokratische Modell von Kirche.

Im hierarchischen Modell von Kirche gibt es einen Oberhirten, der hat wieder Unterhirten in verschiedenen Abstufungen und dann gibt es die einfache Herde, das Kirchenvolk, die Laien; vielleicht dazu noch Hütehunde. – Es gibt einen katholischen Orden, der hat sich in der Vergangenheit ausdrücklich so verstanden: die Hunde des Herrn, die canes domini, die Dominikaner, die entsprechend für die Heilige Inquisition zuständig waren. – Der Oberhirte in diesem Modell ist, so wie es unser Bibeltext ja auch nahelegt, Jesus Christus. Er ist der wahre gute Hirte. Und der hat dann seine Stellvertreter auf Erden, namentlich einen persönlichen obersten Stellvertreter auf Erden – den Papst. Schließlich hat der auferstandene Jesus Christus selber Petrus ausdrücklich und dreifach beauftragt: Weide meine Schafe! (Jh 21,15-17) – Und der Papst ist nun mal der Nachfolger von Petrus.

Ihr merkt es schon: Die katholische Kirche hat dieses hierarchische Modell von Kirche voll verwirklicht. – Und es hat einiges für sich: Es garantiert Einigkeit und Geschlossenheit. Es gibt klare Verantwortlichkeiten. Und natürlich kann nicht das einzelne Schäfchen für sich entscheiden, was gut und richtig ist, sondern der Hirte, der einen besseren Überblick hat. Je größer die zu entscheidenden Fragen sind, desto weiter oben fällt die Entscheidung. Es gibt entsprechend ein kirchliches Lehramt der Oberhirten und an der Spitze der unfehlbare Papst.

Dieses Modell ist stark, wenn es richtige Entscheidungen trifft und die Wahrheit hochhält. Es ist stark, wenn der Stellvertreter Christi auf Erden das tut, was Christus im Himmel will. – Aber wehe, er tut etwas anderes! Der Papst und die kirchlichen Konzile können eben auch die ganze Kirche in die Irre leiten. – Das bestreiten sie zwar, aber genau das war der springende Punkt, an dem sich die evangelische Kirche von der katholischen abgespalten hat.

Martin Luther und die Reformatoren mussten deutlich sehen: Der Papst und die Kurie lehrten und handelten entgegen dem ausdrücklichen Willen des guten Hirten Jesus Christus. Sie waren keine guten Hirten. Sie vertraten nicht ihn, sondern sich selber. Das hierarchische Kirchenmodell war gescheitert.

Dazu noch eine kleine Anmerkung: Wir müssen die drastischen Urteile Luthers über den Papst nicht wiederholen. Inzwischen hat die katholische Kirche wieder fromme Päpste, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind und die sich dem Oberhirten Jesus Christus wie auch ihrer Herde verpflichtet wissen. – Darüber, dass der Papst katholisch ist und katholische Ansichten vertritt, brauchen wir uns eher nicht aufzuregen. Ich denke, wir haben in der Ökumene ein klares und ernstzunehmendes Gegenüber. Und Benedikt XVI. ist besser als sein Ruf.

Die Evangelischen haben nun – das überrascht nicht – ein anderes Kirchenmodell gefunden, ein eher demokratisches. Das hängt mit dem evangelischen Glaubensverständnis zusammen: Der Herr ist mein Hirte, beten wir gerne. Mein Verhältnis zum guten Hirten Jesus ist ein persönliches. Seine Schafe kennen seine Stimme, und er kennt sie – persönlich. Und ich als sein Schaf höre auf seine Stimme und folge ihm, und er gibt mir, was ich brauche, und am Ende das ewige Leben (vgl. Jh 10,27f). Dazu brauche ich keine Unterhirten und keine Hierarchie, die mir Gottes Zuwendung von oben nach unten vermitteln.

Aber ich brauche doch Schwestern und Brüder, die mit mir zusammenhalten, die mir helfen zu glauben und bei unserem gemeinsamen guten Hirten Jesus zu bleiben. Und meine Schwestern und Brüder brauchen mich, dass ich auch auf sie achte. Soll ich meines Bruders Hüter sein? – Ja, selbstverständlich. Wir sind nicht nur Schafe in der Herde des Guten Hirten, wir sind auch füreinander Hirten.

Jesus sagt: Ich bin der gute Hirte. Und Jesus sagt auch: Ihr seid die guten Hirten!

„Wir sind Papst“ – die Schlagzeile war genial, sie ist im kollektiven Gedächtnis geblieben. Aber sie stimmt nicht im Blick auf Papst Benedikt. Sie stimmt im Blick auf uns Christen: Wir sind Papst. Wir sind die Stellvertreter Christi auf Erden. Wir sind die guten Hirten.

Wir? – Ja, wir alle, die wir getauft sind.

Sicher, es gibt ein paar Abstufungen in der Verantwortlichkeit. Der eine ist beauftragt, das Wort Gottes öffentlich zu sagen und in besonderer Weise Seelsorger zu sein. Andere sind beauftragt, Entscheidungen für die Gemeinde zu treffen, das Miteinander zu organisieren und für das materielle Drumherum zu sorgen. Das wären der Pastor und die Ältesten. – Aber sie sind nicht von oben eingesetzt, sondern von unten gewählt. Unsere Gemeindestruktur ist demokratisch. – Kirchenvorsteher dürfen in ihrer Arbeit kontrolliert werden und Pfarrer dürfen in ihrer Lehre korrigiert werden. Dass eine christliche Versammlung oder Gemeinde Recht und Macht habe, alle Lehre zu urteilen heißt dementsprechend eine Schrift Martin Luthers.

Und dann gibt es außer Pastoren und Kirchenvorstehern noch die vielen, die in der Gemeinde mitarbeiten, mitwirken, Mitverantwortung übernehmen. Auch sie üben in gewisser Weise ein Hirtenamt aus. Wir alle sind füreinander da und aufeinander angewiesen.

Das Wort Älteste hat ja eigentlich auch einen ganz profanen Sinn, unabhängig von Ämtern und Würden: Es gibt ältere, erfahrenere Gemeindeglieder, es gibt die 'alten Hasen'. Und sie haben auf Grund ihrer Erfahrung auch eine größere Verantwortung, auch wenn sie nicht Mitglied im Kirchenvorstand sind. Wir schätzen diejenigen, die schon jahre- oder jahrzehntelang in der Gemeinde mitgearbeitet haben, die dabei vielleicht auch besonders achtsam sind, die wissen, worauf es ankommt und was die einzelnen brauchen. Wir sind froh, dass es diejenigen gibt, die in ihrem Glauben und Leben gereift sind, so dass sie andere mitnehmen, vielleicht auch ein Stück führen können, wie es ein guter Hirte tut. Wir, die wir in dieser Gemeinde zu Hause sind, wollen gastgebende Gemeinde sein: also gerade auch ganz bewusst für diejenigen dasein, die hier nicht oder noch nicht zu Hause sind, die hier mal für ein paar Tage oder Wochen hereinschneien, oder die immer wieder kommen wollen. Nehmen wir sie freundlich auf, weiden wir sie auf grünen Auen und führen sie zum frischen Wasser. So sind wir gute Hirten.

Nachdem wir das nun geklärt haben, dass wir alle, Pfarrer, Kirchenvorsteher und „normale“ Gemeindeglieder, füreinander gute Hirten sein sollen, dann können wir uns auch in aller Kürze die Mahnungen zu Gemüte führen, die der Apostel hier für Hirten bereithält. Es sind drei.

Und die erste heißt: Achtet auf die Herde Gottes, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt. – Mitarbeit in der Gemeinde basiert auf Freiwilligkeit. – Mir gefällt es nicht, wenn sich Leute, die mitarbeiten, über andere erheben, die das nicht tun oder die weniger tun. Freiwilligkeit heißt eben auch: Es aushalten, dass andere freiwillig Nein sagen. Aber vielleicht kann ich ja mit meiner Freiwilligkeit und der Freude ansteckend sein, dass ein anderer auch Lust bekommt …

Die zweite Mahnung: Nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund. – Schwierige Sache: Ist mein Pfarrergehalt schändlicher Gewinn? Erwerben andere durch ihre Mitarbeit in der Gemeinde Ansprüche auf Vergünstigungen? Ist öffentliche Anerkennung vielleicht auch nur schändlicher Gewinn? Mache ich mit, um gesehen zu werden und zur Gemeindeversammlung öffentlich gewürdigt zu werden? Und was ist, wenn dann doch jemand bei der Bedankerei vergessen wurde? – Und wie war das eigentlich bei dem guten Hirten Jesus? Was hat er dafür bekommen? – Göttliche Herrlichkeit, ja. Aber vorher das Kreuz … Von Herzensgrund, das heißt: um der Sache willen, um der anderen willen, um Jesu willen …

Die dritte Mahnung: nicht als Herren der Gemeinde, sondern als Vorbilder. – Das ist das Entscheidende. Hirte sein heißt Vorbild sein. Das große Vorbild ist der gute Hirte Jesus Christus. Wenn wir seinem Vorbild nachfolgen, dann sind auch wir vorbildlich. Er leitet, indem er leidet. Er herrscht, indem er dient. Der gute Hirte dient seiner Herde, jedem einzelnen Schäfchen.

Davon bin ich als Hirte der Gemeinde sicher noch weit entfernt. Aber zum Glück bin ich nicht allein der Hirte für euch. Wir sind gemeinsam Hirten. Wir sind berufen, aufeinander zu achten. Also erwartet bitte nicht nur, dass ich auf euch achte und dass ich für jeden da bin; das kann ich nämlich nicht und schon gar nicht allein. Sondern seid ihr miteinander und füreinander da. Und achtet bitte auch mit auf mich und auf die gewählten Ältesten der Gemeinde. Gemeinsam sind wir gute Hirten.

Sonntag, 15. April 2012

Predigt am 15. April 2012 (Quasimodogeniti)

Mit Christus seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten. Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden. Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet. Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus.
Kolosser 2, 12-15





Kommt ein Handwerksmeister an der Himmelstür an: „Wieso habt ihr mich jetzt schon geholt? Ich bin doch erst 45!“ - Sagt Petrus: „Wir haben die Stunden zusammengezählt, die du deinen Kunden berechnet hast; danach bist du schon 84.
Ja, liebe Schwestern und Brüder, jetzt bleibt noch die spannende Frage: Kommt er überhaupt rein in den Himmel oder nicht?

Wer kommt überhaupt in den Himmel?

Ein Evangelischer ist neu angekommen im Himmel und bekommt von Petrus eine Führung. Nachdem es eine ganze Menge angenehmer Dinge zu sehen gab, kommen sie an eine hohe Mauer und Petrus bedeutet dem Evangelischen, leise zu sein. „Warum?“, fragt der. Sagt Petrus: „Hinter der Mauer sind die Katholiken, und die glauben, sie wären alleine hier!“

Tja, das wäre schlimm, wenn es noch getrennte Himmel für getrennte Konfessionen gäbe. Und noch schlimmer, wenn nur die wirklich Rechtgläubigen da ankommen würden.

Also: Wer kommt in den Himmel? Wer kommt mit seinem Leben wirklich bei Gott an?

Vor ein paar Tagen hatte ich eine kleine Diskussion, die wir nicht ganz zu Ende gebracht haben. Ich habe gesagt: „Wir wissen, dass wir in den Himmel kommen.“ Mein Gegenüber sagte: „Wir glauben, dass wir in den Himmel kommen. Wissen können wir es nicht.“ – Ich habe ihm Recht gegeben. Aber ich hätte es noch genauer erklären müssen: Dass wir zu Gott gehören und bei Gott ankommen werden, das können wir in der Tat nicht in der Weise wissen, wie wir wissen, dass 2 plus 2 gleich 4 sind oder dass die Erde um die Sonne kreist oder dass Eisen schwerer ist als Holz. Es ist kein Wissen, dass wir einfach so an der Wirklichkeit überprüfen oder nachmessen können. Und doch ist es genau so gewiss. Und wenn wir sagen, wir glauben es, dann meinen wir nicht, dass wir es vermuten. So nach dem Motto: „Ich glaube, morgen wird schönes Wetter.“ – Sondern: Wir sind dessen ganz gewiss. Wir vertrauen fest darauf.

Ich glaube an … die Auferstehung der Toten und das ewige Leben, bekennen wir im Glaubensbekenntnis. Und gemeint ist dabei nicht nur, dass es so was gibt, sondern dass es das für mich gibt: Ich werde bei Gott in Ewigkeit leben. Ich komme in den Himmel!

Es gibt eine ganze Reihe von Bibeltexten, die gegen die Ungewissheit des ewigen Heils anschreiben. Einer davon ist unser Predigttext. Das Argument ist ganz einfach: Die Auferstehung und das ewige Leben sind keine Angelegenheit der Zukunft, sondern sie sind schon Gegenwart, weil Gott in der Vergangenheit bereits das Entscheidende getan hat: Gott hat Christus von den Toten auferweckt und hat euch mit ihm lebendig gemacht.

Wie? – Durch die Taufe: Mit Christus seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn erweckt hat von den Toten.

Mit der Taufe bist du eingetaucht, hineingenommen in die Jesus-Christus-Geschichte: mit ihm begraben, mit ihm auferstanden. Im Taufwasser ist der alte Mensch ertrunken und der neue Mensch auferstanden. Aus dem Taufwasser bist du neu geboren zum ewigen Leben.

Wenn du zweifelst, ob du noch zu Gott gehörst oder schon zu Gott gehörst; wenn du meinst, du könntest vielleicht an der Himmelstür abgewiesen werden, weil du nicht gut genug bist für Gottes Anspruch, dann erinnere dich daran: Du bist getauft! Gott hat dich schon auferweckt zum ewigen Leben. Der Weg zum Himmel ist frei.

Mit der Taufe hat etwas Neues begonnen. Es gibt ein Davor und ein Danach. – Es heißt: Ihr wart tot in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und Gott hat uns alle Sünden vergeben.

Das Wort Unbeschnittenheit muss ich kurz erklären: Wie ihr sicher wisst, wird jüdischen Jungs am 8. Tag nach ihrer Geburt die Vorhaut beschnitten. Die Beschneidung ist das Zeichen für den Bund Gottes, den er nach biblischer Überlieferung mit Abraham und seinen Nachkommen geschlossen hat. Unbeschnitten sein bedeutete, nicht zu Gott zu gehören, von Gott getrennt zu sein. Nun waren die griechisch sprechenden Völkerschaften Kleinasiens und Europas unbeschnittene Heiden. Sollten sie auch beschnitten werden, um so in Gottes Bund eingeschlossen zu werden? – Paulus und die Apostel haben diese Frage verneint. Denn durch Jesus Christus, hat Gott einen neuen Bund geschlossen, ein neues Testament, wie es dann im Lateinischen hieß, wo testamentum noch nicht so eng gefasst ist, wie wir das Wort Testament verstehen. Und Gott hat ein neues Zeichen für den neuen Bund eingesetzt: die Taufe. Wer durch die Taufe zu Jesus Christus gehört, ist im geistlichen Sinne nicht mehr unbeschnitten. Er ist nicht mehr getrennt von Gott, nicht mehr von Gottes Bund ausgeschlossen, wie die Heiden. – In diesem Sinne gebraucht der Apostel hier das Wort Unbeschnittenheit des Fleisches: nämlich in demselben Sinne wie das Wort Sünde, das auch da steht: Getrennt sein von Gott.

Aber dieser Zustand – von Gott getrennt sein, in Sünde leben, geistlich tot sein –, dieser Zustand ist vorbei. Ist beendet durch die Taufe.

Menschen, die als Jugendliche, als Erwachsene zum Glauben kamen und getauft wurden, können oft von diesem Neuwerden erzählen, von dieser Zustandsänderung: Es gibt ein klares Davor und ein klares Danach: Erst getrennt von Gott, dann zugehörig zu Gott. Erst auf der Suche, oder in einer sinnlosen Tretmühle oder gar auf zerstörerischen Lebenswegen – und dann die radikale Veränderung. Ihr Leben ist anders geworden, mehr als anders, es ist neu geworden.

Mit der Taufe ist das überwunden, was mich von Gott getrennt hat: meine Sünde, meine Schuld, das, wofür ich mich schämen muss.

In unserer Bibelstelle ist das mit dem Bild vom Schuldschein ausgedrückt. Was das ist, können wir uns wohl vorstellen. Vielleicht besitzt ja mancher auch so was. Zum Beispiel Staatsanleihen von Griechenland. Wer so eine griechische Staatsanleihe gekauft hat, der hat nichts anderes gemacht, als dem griechischen Staat Geld zu leihen, mit dem Versprechen, das nach einer gewissen Zeit, vermehrt um Zinsen zurückzubekommen. Das Problem ist nun, dass Griechenland pleite ist, und die Besitzer von den Anleihen darum fürchten müssen, ihr Geld zurückzukriegen.

Allerdings sind wir vor Gott nicht die Gläubiger, sondern die Schuldner. Gott hat einen berechtigten Anspruch an uns. Einfach weil er uns geschaffen hat, und alles, was wir haben im Grunde nur von ihm geliehen ist. Darum hat Gott einen Anspruch an uns, dass wir ihm das, was er uns gegeben hat, um Zinserträge vermehrt zurückgeben. – Und wir, wir sind sozusagen in der Rolle von Griechenland. Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt und können Gottes Erwartungen nicht erfüllen.

Was nun? – Griechenland versucht man auf die Beine zu helfen, indem man einerseits Schulden stundet oder erlässt und indem man andererseits eine harte Disziplin beim Ausgeben von geliehenem Geld und beim Eintreiben von eigenem Geld erwartet. – Viele meinen, Gott würde das genau so machen: ein paar Schulden erlassen und größere Anstrengungen von uns erwarten, damit wir nicht zu tief in die roten Zahlen rutschen bei ihm.

Gott aber tut was anderes: Er verzichtet ganz und gar auf seine Ansprüche. Er schmeißt seine Schuldverschreibungen weg. Sie sind mit Jesus gekreuzigt, sagt der Apostel. Sie sind durchkreuzt, ungültig gemacht. – Und wir sind frei. Wir können aufatmen. Wir können ohne Schulden mit einer schwarzen Null neu beginnen.

Das bewirkt die Taufe.

Nun sagst du vielleicht: Da habe ich ein Problem. Ich bin als kleines Kind getauft worden, da war ich noch unschuldig, da hatte ich noch keine Schulden bei Gott. Die habe ich erst später zusammengetragen in meinem Leben.

Und da sage ich: Ja, das ist was Wahres dran. Auch der Getaufte, auch der als Erwachsene Getaufte, wird immer wieder schuldig. Aber das Verrückte, das Großartige, was Gott tut, ist, dass er die Taufe, den Neuanfang bei Null, immer wieder neu in Geltung setzt. Du darfst zu Gott kommen und sagen: Schau, da bin ich wieder schuldig geworden. Da bin ich dir wieder etwas schuldig geblieben. Aber ich bin getauft, und du hast mir in der Taufe alle meine Schulden vergeben, auch die, die inzwischen wieder neu hinzugekommen sind. Aber auch für die ist Christus am Kreuz gestorben.

Wenn wir Gott unsere Schuld bekennen und von ihm Vergebung erfahren, dann wird also eigentlich immer nur wieder das aktualisiert, was Gott uns in der Taufe schon gegeben hat. Denn die Taufe gilt ein für allemal.
Ich kann jeden Augenblick sagen: Gott hat mir schon vergeben, denn ich bin getauft.

Und darum kann ich auch jeden Augenblick gewiss sein, dass ich mit meinem Leben bei Gott ankommen werde, dass ich in den Himmel komme. Das, was zwischen Gott und mir gestanden hat, ist weggenommen ein für allemal durch die Taufe. Wenn ich das glaube, wenn ich darauf vertraue, dann ist es auch wahr und gewiss.

Und darum, zum Schluss: Wenn ich so durch die Taufe mit Christus verbunden bin, wenn ich schon mit ihm auferstanden bin, wenn nichts mehr zwischen Gott und mir steht, dann kann mich auch keine Macht der Welt mehr von Gott trennen. Die Mächte, die sich zwischen Gott und mich stellen wollen, sie sind entmachtet: Sünde, Tod und Teufel sind besiegt. Christus ist für mich gestorben und für mich auferstanden. Ich bin getauft. Ich bin erlöst. Ich bin befreit. – Ich bin bei Gott.

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Sonntag, dem 15. April 2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

es ist dunkel in der Kirche. Dann entzündet einer die Osterkerze: die neue Osterkerze mit der aktuellen Jahreszahl. Und mit den alten Christussymbolen: die Buchstaben Alpha und Omega, die sagen, dass Christus Anfang und Ende ist: nichts ist vor ihm, nichts kommt nach ihm, alles ist in ihm; und natürlich das Kreuz, und im Kreuz die fünf Nägel für die fünf Wundmale des Gekreuzigten. Die Kerze leuchtet auch in dieses Jahr hinein. Der tödlich Verwundete, der Gekreuzigte lebt, er ist auferstanden, es ist Ostern.


Dann entzündet einer eine weitere Kerze an der Osterkerze und daran entzündet wieder einer seine Kerze. Innerhalb weniger Sekunden läuft das Licht von Reihe zu Reihe und macht die dunkle Kirche hell. Vom Licht des Auferstandenen wird es hell in unserem Leben.


Mit den brennenden Kerzen treten wir heraus aus der Kirche auf den Friedhof und singen Christ ist erstanden. Das Leben kommt auch zu den Toten. Denn der tot war, lebt. Das ist Ostern. Und dann dämmert der Morgen herauf. Das Tageslicht überstrahlt unser Kerzenlicht. Das Kerzenlicht war nur ein Abbild, ein Vorzeichen für das große Licht des Tages.


So oder so ähnlich habe ich manche Osternacht erlebt. Vielleicht hat es mancher von Ihnen schon ähnlich erlebt.


Auch wenn wir die Osternacht hier nicht so begangen haben: seit dem vergangenen Sonntag brennt in unseren Gottesdiensten wieder die Osterkerze, die neue, mit der Jahreszahl 2012. Sie sagt uns: Jesus Christus lebt, und er ist hier. Da, wo wir sind, wo wir uns in seinem Namen versammeln.


Jesus Christus, der durch das tiefste Dunkel hindurchgegangen ist, ist das Licht der Welt. Wer zu ihm kommt und mit ihm geht, der wird nicht im Dunkeln bleiben, sondern in dessen Leben wird es hell und er wird auch für andere zum Licht werden. So wie sich in der Osternacht das Licht ausgebreitet hat, so soll sich das Licht Jesu auch bei uns ausbreiten.

Samstag, 14. April 2012

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Samstag, dem 14. April 2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

es ist dunkel in der Kirche. Nur Kerzen erhellen den Raum. Eine junge Frau, ein junger Mann stehen neben mir am Taufbecken: ... Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.



Zu den eindrücklichsten Erfahrungen meines Dienstes gehören Erwachsenentaufen in der Osternacht. Da sind Menschen, die früher nichts mit Glaube und Kirche am Hut hatten, ins Fragen gekommen über ihr Leben, über Sinn und Ziel, über Woher und Wohin. Da haben sie Kontakt gefunden zur Kirchengemeinde, haben an dieser oder jener Veranstaltung teilgenommen, haben sich in einer Reihe von Gesprächen beim Pfarrer damit bekannt gemacht, was Christen glauben, was es mit der Bibel, ihrer Geschichte und ihren Geschichten auf sich hat und was es mit Jesus Christus auf sich hat, der im christlichen Glauben so wichtig ist. Und dann haben sie Ja gesagt: Ja, wir wollen es selber versuchen mit diesem Glauben, mit diesem Gott, mit diesem Jesus Christus. Auch mit dieser unvollkommenen und manchmal allzu menschlichen Kirche. Und sie haben sich taufen lassen.

Die Kirche hat schon in alten Zeiten in der Osternacht Menschen getauft. Die christliche Taufe steht ja auch in ganz engem Zusammenhang mit Ostern, mit Tod und Auferstehung. In der Bibel heißt es: Durch die Taufe sind wir mit Christus gestorben und sind daher auch mit ihm begraben worden. Weil nun aber Christus durch die unvergleichlich herrliche Macht des Vaters von den Toten auferstanden ist, ist auch unser Leben neu geworden, und das bedeutet: Wir sollen jetzt ein neues Leben führen. (Römer 6, 4)


Tod und Leben werden in der Taufe symbolisiert durch das Wasser. In der Taufliturgie wird daran erinnert: Ohne Wasser gibt es kein Leben, im Wasser aber können Menschen auch untergehen und versinken. So soll im Wasser der Taufe alles untergehen, was uns von Gott trennt, und aus dem Wasser der Taufe soll der neue Mensch auferstehen, der mit Jesus Christus lebt.


Taufen von erwachsenen Menschen, die erst spät mit dem christlichen Glauben in Berührung gekommen sind, sind ein Zeichen dafür, dass der Glaube an den auferstandenen Herrn Jesus Christus unter uns lebendig ist – und dass er selber, Jesus Christus, unter uns lebendig ist.

Freitag, 13. April 2012

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Freitag, dem 13. April 2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

Auferstehung kommt von Aufstehen. Aufstehen kann man nicht nur aus dem Bett, vom Schlaf, aus dem gemütlichen Sessel. Aufstehen kann man für etwas oder gegen etwas. Aufstehen und protestieren, auf die Straße gehen. Den Aufstand proben.


Immer wieder hat man aus der Theologie der Auferstehung eine Theologie des Aufstands gemacht. Die lateinamerikanische Theologie der Befreiung war ein Versuch, Christentum und Marxismus zu verbinden. Ein vielleicht verständlicher Versuch, da, wo Menschen leiden, unterdrückt werden, chancenlos sind, und wo sich ihre Peiniger und Unterdrücker selber noch den Mantel des Christlichen umhängen. Christus, der gelitten hat und auferstanden ist, er muss doch auf der Seite der Leidenden stehen und mit ihnen aufstehen gegen das Leid, gegen den Tod. Nur haben sie dabei übersehen, dass Christus den Aufstand in dieser Form abgesagt hatte, denn sein Reich sei nicht von dieser Welt, hatte er gesagt. Jesus wusste, dass der Gewalt der Gewalttätigen nicht mit Gegengewalt der Aufständischen beizukommen sein würde. Am Beispiel des Marxismus sehen wir, wie die Gewalt der Unterdrückten neue, ja schlimmere Gewalt und Unterdrückung hervorbringt.


Deshalb liegt mir jene ganz andere Theologie der Befreiung viel näher, die niemals so hieß, die es aber praktisch war: Die Theologie jener, die sich 1989 im Ostteil Deutschlands in Kirchen versammelten und mit Kerzen in der Hand auf die Straße gingen, die den Bewaffneten und sich selber zuriefen “Keine Gewalt!” Es war eine Theologie der 
Ermutigung und Ermächtigung, die ihre Kraft und ihre Friedfertigkeit aus dem Glauben an den Auferstandenen zog. Es war eine Theologie der Auferstehung.


Und so haben wir diese Revolution auch als Auferstehung erlebt. Wir sind aufgewacht aus einer Art Totenstarre, haben frei geatmet, sind lebendig geworden und haben begonnen unser Leben in Freiheit zu führen. Für mich hat das in der Tat mit der Leben schaffenden Kraft Gottes zu tun.

Donnerstag, 12. April 2012

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Donnerstag, dem 12. April 2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

sind Sie gut aufgestanden? Oder liegen Sie noch im Bett und haben den Radiowecker laufen? – Egal!



Aber haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass das morgendliche Aufstehen etwas mit Ostern zu tun haben könnte? – Genau: Ostern geht es um die Auferstehung. Also auch ums Aufstehen. Nur dass die kleine Silbe -er- dem Wort eine religiöse Überhöhung verleiht. Im Grunde aber geht es um dasselbe: Wir stehen jeden Morgen aus dem Bett auf. Und Jesus Christus steht am Ostermorgen aus dem Grab auf. Am Ende der Welt sollen dann alle Toten aus den Gräbern aufstehen – auferstehen. – Wenn Gott sie aufweckt – auferweckt.

Wenn der Tod des Schlafes Bruder ist, dann ist die Auferstehung die große Schwester des morgendlichen Aufstehens, und die Posaune Gottes, von der die Bibel spricht, ist der große Wecker.


Vielleicht können uns diese Bilder ja in der Tat ein gutes Gleichnis sein für Tod und Auferstehung, die wir ja noch nicht wirklich kennen, weil wir sie noch nicht erlebt haben. Aber wir wissen es schließlich: Der Lebenstag geht seinem Lebensabend entgegen, und es kommt die Nacht des Todes. Aber wir sollen auch wissen: Es gibt einen neuen Morgen, ein neues Erwachen, ein neues Aufstehen. Das ist der Sinn von Ostern.


Übrigens sind die guten alten christlichen Abend- und Morgengebete von diesem Bewusstsein durchdrungen: jeder Abend kann der letzte sein, und jeder Morgen ist ein Wunder, eine vorweggenommene Auferstehung. Wie gut, wenn wir uns am Abend in Gottes Hand legen und wenn wir am Morgen den neuen Tag aus Gottes Hand empfangen! Wie gut, wenn wir auch noch am Abend des Lebens auf einen neuen Morgen hoffen. Gott weckt mich alle Morgen und zuletzt im Morgenglanz der Ewigkeit.

Mittwoch, 11. April 2012

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Mittwoch, dem 11. April 2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

das deutsche Wort Ostern ist etwas eigenwillig, weil es uns nichts über den Sinn des Osterfestes verrät. Oft wird Ostern mit einer germanischen Göttin Ostara in Verbindung gebracht; es ist aber gar nicht sicher, ob es diese Göttin überhaupt gab – ich meine: in den Vorstellungen der Menschen gab. Vielmehr weist die Wurzel austro oder ausro auf die Morgenröte hin – verwandt damit die Himmelsrichtung des Morgens: Osten.



In der Morgenröte des Ostertages entdeckten die Frauen das leere Grab von Jesus; das könnte eine Erklärung, oder zumindest eine Assoziation zum Namen des Osterfestes sein. Vielleicht aber auch mehr noch, dass Jesus Christus selber als das aufgehende Licht angesehen wurde. Ich bin das Licht der Welt, hat er über sich selber gesagt (Johannes 8, 12).


Überhaupt ist die Lichtsymbolik für Ostern ganz wichtig: Das Dunkel der Nacht, das Dunkel des Todes, das Dunkel der Trauer vergeht, und das Licht des Lebens geht auf.

In anderen Sprachen wird meistens ein anderes Wort für Ostern verwendet: Im Spanischen heißt es Pascua, in vielen anderen Sprachen so ähnlich: Pâques, Pasqua, Pasen, Pascha. Das leitet sich ab vom aramäischen Pascha und vom hebräischen Pessach.



Pessach oder Passa war das jüdische Fest, an dem Jesus gekreuzigt wurde. Es war das Fest bzw. ist es für Juden bis heute, an dem an die Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei erinnert wird. Jesus hat mit seinen Jüngern noch die Pessach-Mahlzeit gehalten, bevor er verhaftet wurde. In Erinnerung an dieses Festmahl mit Jesus Christus feiern die Christen bis heute das Heilige Abendmahl.


Sehr bald haben die Christen Tod und Auferstehung Jesu mit diesem Fest und seiner Symbolik in Verbindung gebracht. So wie Gott die Israeliten aus der Sklaverei der Ägypter befreit hat, so hat er uns durch Jesus Christus aus der Sklaverei der Sünde und des Todes befreit.

In manchen Sprachen, z. B. den südslawischen, gibt es noch ein anderes Wort für das Osterfest, nämlich das, was eigentlich der Inhalt von Ostern ist: Auferstehung.


Ostern – das Fest des Morgenlichtes, Ostern – das neue Passafest, Ostern – das Fest der Auferstehung. In jedem Falle ist es nicht einfach nur ein Frühlingsfest, sondern ein christliches Fest, ein Christus-Fest.

Dienstag, 10. April 2012

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Dienstag, dem 10.04.2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

das Osterfest liegt hinter uns, könnte man sagen. Nach christlichem Verständnis hat Ostern aber gerade erst begonnen. Die Osterzeit geht bis Christi Himmelfahrt. Deshalb möchte ich in dieser Osterwoche noch paar österliche Gedanken mit Ihnen teilen.

Ostereier, Osterküken, Osterhäschen – das Osterfest hat seine eigene niedliche Symbolik entwickelt. Sie lässt sich vielfältig variieren: Von der Geschichte vom Osterhasen, die wir unseren Enkeln erzählen, der heimlich die Eier versteckt, über das Behängen von Sträußen und Sträuchern mit bunt gefärbten Hühner- oder industriell gefertigten Plastikeiern bis hin zu Schokoladenhohlkörpern.

Diese Ostersymbolik hat irgendwie etwas Frühlingshaftes, und man könnte darüber leicht den eigentlichen Sinn von Ostern vergessen. Einerseits. Andererseits haben Hasen, Küken und Eier doch gerade eine ganze Menge mit dem Sinn von Ostern zu tun. Sie symbolisieren nämlich das neue Leben.

Das Ei ist ja nicht dazu erfunden worden, um von uns in die Pfanne gehauen zu werden. Es beherbergt, wenn es denn befruchtet ist und bebrütet wird, ein kleines neues Lebewesen: das Küken. Das Ei ist der Nähr- und Schutzraum, aus dem zu seiner Zeit das kleine Vögelchen schlüpft. So wie aus dem hartschaligen Ei ein kleines weiches Küken schlüpft, so ist Christus aus dem verschlossenen Grab auferstanden, und so werden einst die Toten aus den Gräbern auferstehen, glauben wir.

Mit den Osterhäschen ist es ein bisschen komplizierter. So ganz sicher weiß nämlich keiner, wie der Hase zum Osterfest gekommen ist. Die Überlieferung vom Osterhasen, der die Ostereier bringt, ist erst seit dem 17. Jahrhundert nachweisbar. Wahrscheinlich ist, dass Hasen aber schon immer mit Fruchtbarkeit und neuem Leben in Verbindung gebracht wurden. Sie wissen ja: “... wie die Karnickel”. Und so passen sie gut ins Frühjahr und zum neuen Leben, das wir Ostern feiern. Vielleicht – das soll nicht verschwiegen werden – haben Hasen und Eier auch etwas mit einer alten germanischen Frühlingsgöttin zu tun.

Für Christen ist Ostern aber mehr als ein Frühlingsfest. Es ist nicht nur so, dass das Leben nach einer Zeit der Winterruhe wieder erwacht. Wir erwarten das ganz neue Leben bei Gott nach der Ruhe des Todes. Jesus Christus ist der erste, der aus dem Tod auferstanden ist in das neue Leben. So sind Osterhasen und Ostereier für uns Symbole der Hoffnung.

Sonntag, 8. April 2012

Predigt am 8. April 2012 (Ostersonntag)


Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN.Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde,denn ich freue mich deines Heils.Es ist niemand heilig wie der HERR, außer dir ist keiner,und ist kein Fels wie unser Gott....Der HERR tötet und macht lebendig,führt hinab zu den Toten und wieder herauf.Der HERR macht arm und macht reich;er erniedrigt und erhöht.Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staubund erhöht den Armen aus der Asche,dass er ihn setze unter die Fürstenund den Thron der Ehre erben lasse.
1. Samuel 2, 1-2. 6-8a



Liebe österliche Festgemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

wir freuen uns in diesen Tagen mit Christiane und Mike aus unserer alten Gemeinde Augustusburg. Christiane und Mike sind so alt wie wir, und sind in dieser Woche Großeltern geworden: doppelte Großeltern. Und wir freuen uns mit Maria und Kevin. Sie sind so alt wie unser Sohn, und sie sind in dieser Woche Eltern geworden: doppelte Eltern. Leo und Lotta heißen ihre Zwillinge. Christiane und Mike haben uns eine ganze Reihe Bilder geschickt und wir staunen mit ihnen über die neu geborenen kleinen Menschlein. Wir staunen mit ihnen über das Wunder des Lebens.

Staunen über das Wunder des Lebens, das ist Ostern. „So ein schönes Osternest hatten wir noch nie“, schreiben Christiane und Mike.

Staunen über das Wunder des Lebens: Das ist auch der Hintergrund dieses Gebets, dieses Psalms aus dem Alten Testament, der uns heute – merkwürdig genug – als Predigttext gegeben ist.

Dieser Psalm ist das Gebet einer Frau, einer Frau, die das Wunder des Lebens am eigenen Leibe erfahren hat. Hanna heißt sie. Auch sie ist Mutter geworden. Und auch für sie ist das Wunder des Lebens ein doppeltes, nicht weil sie auch Zwillinge geboren hätte – nein, es war ein Sohn –, sondern weil es in ihrem Leben eigentlich keine Hoffnung auf Kindersegen mehr gab.

Ihr Mann liebte sie. Er versuchte sie zu trösten: Bin ich dir denn nicht mehr wert als zehn Söhne? – Aber was war das für ein Trost, wo er sehr wohl Söhne und Töchter hatte – von einer anderen, sie aber nicht?

Einmal betete Hanna im Tempel Gottes, lange, in Tränen aufgelöst, in tonlosen Worten, gab Gott ein Gelübde, wenn er ihr nur einen Sohn geben würde.

Und dann wurde sie schwanger, gebar sie den erwünschten Sohn – und nannte ihn Samuel; er sollte eine wichtige Rolle in der Geschichte des Gottesvolkes spielen. Und dann betete Hanna wieder im Tempel, und diesmal in lauten Worten, in poetischen Worten, betete diesen Psalm, den wir gehört haben:

Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN.

Dieser Pslam ist aus Staunen geboren über das Wunder des Lebens. Weil ein Kind geboren ist.
Wie sehr staunen wir noch über das Wunder des Lebens? Und können wir das überhaupt noch nachvollziehen, habe ich mich gefragt: die verzweifelte Hoffnungslosigkeit, die hoffnungslose Verzweiflung einer Frau, die ohne Kinder bleibt? – Für sie hing daran der Sinn ihres Lebens, hing sogar ihr Weiterleben nach dem Tod. Denn ohne Kinder würde sie vergessen sein. Ohne Kinder hätte sie umsonst gelebt.

Sollen wir froh sein, dass wir nicht mehr unter einem solchen Zwang stehen? Dass der Sinn und die Hoffnung unseres Lebens nicht am Nachwuchs hängt?

Oder sollen wir uns Sorgen machen, weil so vieles uns wichtiger und sinnvoller erscheint, als Leben weiterzugeben, mit allen Mühen, mit allen Kosten mit allen Opfern?

Ich denke an Paare, denen das Wunder des Lebens versagt bleibt, obwohl sie sich danach sehnen, die Mühen und Kosten nicht scheuen und doch feststellen müssen: Das Wunder lässt sich nicht planen, produzieren, erzwingen. – Gut, wenn für sie der Sinn ihres Lebens nicht daran hängt. Und traurig dennoch, wenn da überall Kinderwagen und dicke Bäuche sind.

Das Staunen über das Wunder des Lebens, wie Hanna es widerfährt, wie Maria und Kevin es widerfährt und wie es selbst noch für Großeltern und Freunde beglückend ist – das Staunen über das Wunder des Lebens – das ist Ostern.

Das Wunder des Lebens ist Gottes Wunder. Hanna spricht zu Gott. Und sie spricht von Gott:

Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN.Die Unfruchtbare hat sieben geboren,und die viele Kinder hatte, welkt dahin.Der HERR tötet und macht lebendig,führt hinab zu den Toten und wieder herauf.

Dieser Satz, war es wohl, der dem Lobgesang der Hanna seinen Platz in der Predigtordnung für das Osterfest verschafft hat: Gott, der Herr über Leben und Tod. Gott, der Leben nimmt und Leben gibt, wie es ihm gefällt.

Vielleicht hat jetzt mancher gedacht: Du redest von dem Wunder der Geburt, aber nicht von dem Wunder der Auferstehung! Das ist doch eigentlich erst Ostern!

Ja, ist es. Und was Auferstehung bedeutet, die wir noch nicht kennen, das können wir gerade dann erahnen, wenn wir das Wunder des Lebens bestaunen, das wir kennen.

Ist nicht sogar das Wunder der Geburt das größere? Leben, wo vorher noch keins war. Ein Mensch, den es vorher noch nie gegeben hat. Leben, das sich auf einmalige Weise entfalten wird. Leben, das selbst da noch einmalig ist, wo es im Doppelpack in die Welt kommt.

Auferstehung dagegen ist Leben, wo vorher schon welches war. Ein Mensch, den es gegeben hat, tritt in eine neue Form des Daseins. Nur dass wir uns das viel schlechter vorstellen können als die Geburt eines Menschen. Aber es ist ja klar: Bei der Geburt tritt ein Mensch in die Lebensform hinein, in der wir uns befinden, die wir schon kennen; und darum erscheint uns die Geburt weniger wunderbar als die Auferstehung. Denn die liegt noch vor uns. Keiner hat sie erlebt. Wir kennen nur den einen Auferstandenen und ihn auch wieder nur in einer irgendwie in dieses Leben zurückprojizierten Form, wo er den Seinen erscheint, als wäre er in dieses Leben zurückgekehrt, während er in Wahrheit in Gottes neues Leben hinein auferweckt worden ist.

Geburt und Auferstehung stehen gleichermaßen für das Wunder des Lebens. Das Leben vor dem Tod und das Leben nach dem Tod, es ist in gleicher Weise Gottes Wunder. Wir können weder das Leben vor dem Tod noch das Leben nach dem Tod selber schaffen. Wir können das Leben nur staunend empfangen, so wie wir neu geborene Kinder staunend in unserer Welt empfangen.

Wir können dem Leben Raum geben: So wie wir das tun, indem wir die wohlbekannten Bedingungen schaffen, dass Same und Ei zueinanderfinden. So wie wir das ungeborene Leben im Mutterleib schützend beherbergen. So wie wir dem geborenen Leben Familie, Heimat, Geborgenheit, Versorgung und Bildung geben. So wie wir unser Kind vom Augenblick der Zeugung an mit Liebe umgeben.

Wir können auch dem Auferstehungsleben Raum geben: Denn es beginnt schon in diesem Leben. Es wird gleichsam gezeugt in der Taufe, es wächst heran im Glauben, es wird genährt und beschützt in der Gemeinschaft der Kirche. Man kann sagen: Die heilige christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen ist für uns der Uterus des ewigen Lebens. Schon hier sind wir geborgen in der Liebe Gottes, die uns zum ewigen Leben auferweckt.

Ostern feiern wir das Wunder des Lebens. Und ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir beginnen, auch dieses Leben hier und jetzt zu feiern. Es ist an der Zeit, dass wir uns zum Leben bekennen, zur Würde des Lebens, zum Recht auf Leben. Weil Gott allein das Leben schafft, darum haben wir kein Recht es abzuschaffen.

Es hat mich ziemlich erschüttert, dass vor kurzem Stimmen von zwei Medizinethikern laut geworden sind, die das Lebensrecht vonneugeborenen Kindern infrage stellenSo lange sie noch nicht die Fähigkeiten einer moralischer Personen hätten, wären Neugeborene nur „mögliche Personen“, keine „wirklichen“. Deshalb sollten Eltern auch das Recht bekommen, ihre wenige Tage alten Kinder töten zu lassen. Und als Argument wird hinzugefügt, es mache letztlich keinen Unterschied, ob man ein ungeborenes Kind durch Abtreibung töte oder ein neugeborenes Kind.


Und das, scheint mir, ist folgerichtig: Wenn das Töten ungeborener Kinder akzeptiert ist, dann braucht es uns nicht zu wundern, wenn man nun bereit ist, auch diesen weiteren Schritt zu gehen und die geborenen zu töten …


Wir Menschen machen uns immer mehr zu Herren über Leben und Tod und setzen uns damit an Gottes Stelle. Nur mit einem gewichtigen Unterschied: Wir können kein Leben schaffen; wir können nur Leben nehmen.

Mich bedrückt, was Kardinal Lehmann vor etlichen Jahren schon als Kultur des Todes bezeichnet hat: Dass wir es uns anmaßen über Leben und Tod entscheiden zu wollen: indem wir Ungeborenen das Lebensrecht nehmen, indem wir ein Recht auf Selbsttötung postulieren und Sterbehilfe zulassen.


Gott ist in Wahrheit der Herr über Leben und Tod. Nein, über Tod und Leben: Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. – Man beachte die Reihenfolge: Der HERR tötet und macht lebendig! Denn bei Gott steht am Ende das Leben, nicht der Tod.


Das feiern wir zu Ostern: das Wunder des Lebens und den Herrn des Lebens.

Freitag, 6. April 2012

Predigt am 6. April 2012 (Karfreitag)

Christus ist der Mittler des neuen Bundes, damit durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen.
Nun aber, am Ende der Welt, ist er ein für allemal erschienen, durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben. Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal wird er nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil.
Hebräer 9, 15.26b-28



Liebe Schwestern und Brüder,

ein neues Schimpfwort hört man auf deutschen Schulhöfen und Straßen immer öfter: „Du Opfer!“ – Und es heißt: Du bist schwach, du bist unterlegen, du bist dazu bestimmt, gedemütigt, benutzt und geschlagen zu werden. Und wir, wir sind diejenigen, die dich demütigen, benutzen und schlagen – „Du Opfer!“

Mir tut es weh, wenn ich das höre. Denn bisher hatte das Wort „Opfer“ noch einen anderen Klang. Dem Opfer, dem unschuldigen Opfer gleich gar, gehörte unser Mitleid, unsere Zuwendung, unsere Solidarität. Sei es dem Opfer von Krieg und Hunger in der Ferne. Sei es dem Opfer von Gewalt und Verbrechen in der Nähe – so wie uns in letzter Zeit das Schicksal der elfjährigen Lena aus Emden berührt hat, die Opfer eines Gewaltverbrechens wurde. Und selbst die Verkehrsopfer, an die wir uns im allgemeinen gewöhnt haben, gehen uns spätestens dann nahe, wenn unter ihnen jemand ist, den wir kannten. Menschen als Opfer wahrzunehmen bedeutete zugleich auch, mit ihnen solidarisch zu sein.

Jemanden aber als Opfer zu verhöhnen, das ist Entsolidarisierung, Unbarmherzigkeit, Entmenschlichung. Wir machen einen Schwachen oder eine Gruppe von Schwachen zu Opfern, damit wir auf ihre Kosten stark sein können. – Aber wie schwach ist das denn eigentlich, wenn wir Schwache brauchen, um auf ihre Kosten stark zu sein!


„Du Opfer!“, das hätten sie damals auch zu Jesus sagen können. Denn widerstandslos ließ er sich gefangen nehmen. Seinen Freunden untersagte er, sich zu verteidigen. Alle Anschuldigungen ließ er fast ohne Widerrede über sich ergehen. Und dann wurde er gefesselt, geschlagen, verspottet, angespuckt, und die Dornenkrone war zugleich Hohn und Folter. Schließlich nagelte man ihn ans Kreuz, stellte es in der Vormittagssonne auf und ergötzte sich daran, wie er sich Stunde um Stunde über die heiße Mittagszeit hinweg quälte und litt, bis er – fast ein wenig unerwartet schnell – das Leben aushauchte.

„Du Opfer!“ – Sie hatten ihm gezeigt, wer stark war und wer schwach.

Die vielen, die Masse, die immer gerne auf der Seite der Sieger steht, sie hatte schon lange vom Hosianna zum Kreuzige umgeschaltet. Sie waren es zufrieden, dass Jesus zum Opfer geworden war. Von ihm war doch nichts zu erwarten gewesen, er war zu schwach; dann sollte er halt sterben.

„Du Opfer!“ - das ist der Widerspruch zur Rede von den unschuldigen Opfern. „Du Opfer!“ - das heißt: Du bist selbst schuld. Deine Schwäche, dein Aussehen, deine Behinderung, dein Anderssein, das prädestiniert dich dazu, Opfer zu sein. Wärst du wie wir, wärst du auf unserer Seite, wärst du auf der Seite der Starken, dann wärst du nicht das Opfer geworden. – Du hast komisch geguckt. Du hast mich provoziert. Du hast keinen Respekt gezeigt. Du bist ein Jude, ein Neger, ein Kuffar, eine Schwuchtel, eine Schlampe. Und darum bist du ein Opfer.

Und wenn wir erst anfangen, uns zu fragen: Habe ich vielleicht wirklich provoziert? Sollte ich doch lieber wegsehen? Meine sexuelle Orientierung verbergen? Den Rock nicht ganz so kurz tragen?, dann haben wir schon verloren. Dann sind wir erst recht die Opfer geworden.

„Du Opfer!“ – Jesus ist in diesem Sinne kein unschuldiges Opfer. Er hat es ja darauf angelegt. Er hat sie provoziert. Er ist selber schuld. Er hat sich selbst zum Opfer gemacht.


Mit unschuldigen Opfern haben wir Mitgefühl und Solidarität, normalerweise. Aber wie ist es mit schuldigen Opfern?

Mit überhöhter Geschwindigkeit gegen den Baum: ein schuldiges Opfer.

Mit der Annahme von falschen Freundschaftsdiensten und faulen Ausreden aus dem Präsidialamt: ein schuldiges Opfer.

Wegen Unterschlagung von wenigen Euro aus dem Job entlassen: ein schuldiges Opfer.

Nach jahrzehntelangem Rauchen an Lungenkrebs erkrankt: ein schuldiges Opfer.

Selbst schuld! Das Mitleid hält sich in Grenzen.

Aber: Gibt es überhaupt unschuldige Opfer? Ist es nicht menschlich, dass wir da oder dort und immer wieder schuldig werden? Verlangen wir von bestimmten Menschen, dass sie übermenschlich sind, ohne Schuld, während wir uns das Recht auf kleine Sünden zugestehen?

Jesus allein ist ein unschuldiges Opfer. Ohne Schuld, ohne Sünde. Es ist die Schuld der anderen, aller anderen, unsere Schuld, dass er zum Opfer wird.


Jesus Christus ist das einmalige Opfer, das die Sünden der vielen auf sich nimmt.

Menschen bezeichnete man damals nicht als Opfer. Nicht mehr. Noch nicht wieder.

Jesus Christus, das einmalige Menschenopfer. Das war fast nicht zu verstehen. Man verglich ihn mit den vielen Tieropfern, die damals dargebracht wurden. Das ist der Hintergrund für Bibeltexte, wie den Hebräerbrief. Tieropfer waren normal. Es musste Blut fließen. Stellvertretend für die Menschen.

Heute erscheinen uns Tieropfer archaisch und unmenschlich. Wir opfern keine Tiere mehr. Wir opfern letztendlich wieder Menschen. Indem wir uns auf die Seite der Täter stellen, um nicht selber Opfer zu werden. Schuldig sind wir schließlich alle. Doch Opfer sollen die anderen sein – nach Möglichkeit. „Du Opfer“ ist immer noch besser als „Ich Opfer“.

Jesus Christus, das Opfer. Selbst schuld, weil er sich selber zum Opfer macht. Er sagt lieber „Ich Opfer“ als „Du Opfer“. Er sagt: Lasst mich euer Opfer sein! Denn ihr wollt ja nicht die Opfer sein, obwohl es keine Unschuldigen treffen würde.

Und darum trifft es nun den einzig wirklich Unschuldigen. Und er ist selbst schuld, dass es ihn trifft. Er hat es so gewollt. Er nimmt die Schuld der Schuldigen auf sich. Er macht den Sündenbock, er ist das Opfer für viele, für alle, für uns.


Du Opfer, Jesus Christus! Du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser.

Erbarm dich unser, dass wir aufhören, uns selbst und andere zu Opfern zu machen. Amen.

Montag, 2. April 2012

Predigt am 1. April 2012 (Palmsonntag)

Gott der HERR hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Alle Morgen weckt er mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören. Gott der HERR hat mir da Ohr geöffnet. Und ich bin nicht ungehorsam und weiche nicht zurück. Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel. Aber Gott der HERR hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. Darum hab ich mein Angesicht hart gemacht wie einen Kieselstein; denn ich weiß, dass ich nicht zuschanden werde. Er ist nahe, der mich gerecht spricht; wer will mit mir rechten? Lasst uns zusammen vortreten! Wer will mein Recht anfechten? Der komme her zu mir! Siehe, Gott der HERR hilft mir; wer will mich verdammen? Siehe, sie alle werden wie Kleider zerfallen, die die Motten fressen.
Jesaja 50, 4-9


Seht, welch ein Mensch! – Er geht seinen Weg mit Konsequenz und Hingabe. Er spricht ruhig und überzeugt. Auf Widerspruch reagiert er sachlich und gelassen. Persönliche Angriffe perlen an ihm ab. Sie machen sich über ihn lustig, sie schlagen ihm ins Gesicht, sie speien vor ihm aus und ihn an; er erträgt es. Am Ende werde ich Recht behalten, ist er überzeugt. Gott ist auf meiner Seite, sagt er. Was auch geschieht, mir kann nichts geschehen, glaubt er. Am Ende wird nichts übrigbleiben von denen, die sich jetzt gegen mich stellen.

So steht er vor unseren Augen, der Prophet. Wir wissen nichts Konkretes über ihn und sein Schicksal. Aber wir staunen über seine Selbstgewissheit, über seine Gottesgewissheit.

Wir denken vielleicht an andere Propheten, an Jeremia, der einem Mordanschlag nur knapp entging; der des öfteren verhaftet wurde und der doch nicht aufhörte, im Namen Gottes zu reden; der miterleben musste, wie seine aufgeschriebenen Worte und Reden vom König verbrannt wurden; der in eine ausgetrocknete Zisterne gesperrt wurde und am Ende nach Ägypten verschleppt von den Leuten, die er beständig davor gewarnt hatte, nach Ägypten zu gehen. Dort verliert sich seine Spur. – Seht, welch ein Mensch!

Ich denke an Martin Luther. Er war nicht immer ruhig, sachlich und gelassen. Aber konsequent. Was er von Gottes Wort gehört und verstanden hat, das vertritt er. Davon weicht er nicht ab. Auf dem Reichstag vor dem Kaiser bekennt er: Sein Gewissen ist in Gottes Wort gefangen. Er kann nicht widerrufen. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.“ Ihm droht der Bann, der Scheiterhaufen, aber er ist gewiss: Gott ist auf meiner Seite. – Seht, welch ein Mensch!

Ich denke an Dietrich Bonhoeffer. Er hat im Gefängnis ein Gedicht geschrieben: „Wer bin ich?“ Darin reflektiert er darüber, wie er nach außen erscheint:

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest,
wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig, lächelnd und stolz,
wie einer, der Siegen gewohnt ist.

Bonhoeffer hat offenbar eine Größe und Geradheit eine Glaubensgewissheit und Stärke ausgestrahlt, die andere beeindruckt hat. Er hat sich jedenfalls nicht brechen und kleinkriegen lassen. Und er war einer der wenigen, die den Mut und die Einsicht hatten, dass der Weg Gottes ein anderer war als der Weg der Masse. Dafür war er im Gefängnis. Dafür ist er vier Wochen vor Kriegsende noch hingerichtet worden. – Seht, welch ein Mensch!

Und doch kam er sich selber nicht als der starke, souveräne Sieger vor, als der er den anderen erschien:

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?

Seht, welch ein Mensch!

Auch diese Seite ist da: bei Bonhoeffer. Auch bei Luther, der manches Mal erschrickt und fast verzagt vor dem für ihn kleines Mönchlein so gewaltigen Auftrag, der ihm zugewachsen ist. Und so auch schon bei den Propheten, wiederum besonders eindrücklich nachzulesen bei Jeremia, der Gott klagt, er wolle lieber nicht geboren sein, als Gottes prophetischen Auftrag auszuführen.

Am Ende sind es diese prophetischen Gestalten, die in Treue zu sich selbst, mehr noch, die in Treue zu Gott ihren Weg gehen, glaubwürdig auch in ihrem Zweifel, stark auch in ihrer Schwäche, getrost auch in ihrer Angst. Am Ende sind sie es, die im Gedächtnis bleiben, die die Geschichte überdauern, die weiterwirken über ihre Zeit hinaus. Am Ende sind sie es, die uns Vorbilder wahren Menschseins sind. Wir möchten wohl ihr hartes Schicksal nicht teilen, aber wenn es denn hart auf hart käme, dann wollten wir ihre Stärke, ihren Mut, ihre Glaubensgewissheit haben.

Seht, welch ein Mensch! – Geschlagen, gefoltert, eine Dornenkrone hat man ihm auf den Kopf gedrückt, einen Purpurmantel hat man ihm umgehängt. So steht er da. Und der Statthalter präsentiert ihn der Menge mit diesen Worten: Seht, welch ein Mensch! – Seht, der Mensch! – Ecce homo! (Johannes 19, 5)

Und sie sehen ihn und sie schreien: Kreuzige! Kreuzige! – Der Mensch, dieser Mensch soll sterben. Das Urbild wahren Menschseins soll sterben. Die Menschlichkeit soll sterben.

Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel.

Das Bild des Propheten, des Reformators, des Widerstandskämpfers, das Bild des zu Unrecht leidenden Menschen, des für Gottes Sache leidenden Menschen verdichtet sich im Bild des Menschensohns, des Königs mit der Dornenkrone. Es ist sein Weg, den Menschen vor ihm und nach ihm gegangen sind. Es ist ihr Weg, den er mit ihnen gegangen ist.

Er hat der Unmenschlichkeit standgehalten. Er hat nicht nachgegeben, nicht widerrufen. Er hat der Unmenschlichkeit seine Menschlichkeit entgegengehalten. Die Dornenkrone und das Kreuz sind Zeichen dafür, dass der Mensch im Leiden seine Würde, seine Menschlichkeit bewahrt. – Seht, welch ein Mensch! Mit der Dornenkrone, am Kreuz, im Gefängnis, am Galgen …

Was ist es, das Menschen ihr Menschseins bewahren lässt inmitten der Unmenschlichkeit? Was ist es, das ihnen die Gewissheit gibt, das Richtige zu sagen, zu tun, zu leiden? Das ihnen die Kraft gibt, sich gegen die Mehrheit zu stellen? Sich gegen die Mächtigen zu stellen?

Gott der HERR, sagt uns das Bibelwort.

Gott der HERR hat mir eine Zunge geben, wie sie Jünger haben.

Gott der HERR hat mir das Ohr geöffnet.

Gott der HERR hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden.

Gott der HERR hilft mir; wer will mich verdammen?

Die Kraft und Glaubwürdigkeit der Worte, sie kommen von Gott. Der Gehorsam, das Hören und Gehorchen auf Gottes Willen, er kommt von Gott. Die Kraft zum Durchhalten und Durchstehen des eigenen Weges gegen allen Widerstand, sie kommt von Gott. Und die Gewissheit, dass Unrecht nicht Recht wird, sie kommt von Gott.

Der Anfang der Menschlichkeit ist bei Gott.

Seht, welch ein Mensch! – sagen wir.

Seht, welch ein Gott! – sagt er, dieser Mensch.

Wir sehen auf Jesus Christus. Welch ein Mensch! Welch ein Gott!

ER gebe auch uns die rechten Worte, das rechte Gehör, die rechte Widerstandskraft, die rechte Glaubensgewissheit. Dann werden wir seine Jünger.