Sonntag, 5. Februar 2012

Predigt am 5. Februar 2012 (Septuagesimä)

So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.
Jeremia 9, 22-23



Liebe Schwestern und Brüder,

„Guck mal, was ich gemalt habe“, so kommt die kleine Anna angelaufen, und möchte, dass die Oma oder der Onkel das Bild anschaut und sie lobt. „Guck mal, was ich gebaut habe“, sagt der kleine Paul und führt dem Papa sein Lego-Fahrzeug vor. – „Toll!“, sagen wir und freuen uns, wie unsere Kinder lernen, mit eigener Fantasie und eigenen Fähigkeiten etwas eigenes zu erschaffen. Sie sind stolz auf sich, und wir sind stolz auf sie. Wir wissen: Das selbst gemalte Bild oder das selbst gebaute Auto sind erst ein Anfang. Sie werden noch mehr Gaben und Fähigkeiten entwickeln und daraus etwas machen im Leben.

So wie wir. Wir kommen nur nicht mehr ganz so offensichtlich und offensiv daher mit unserem „Guck mal, was ich geschafft habe!“ Aber eigentlich sind wir schon stolz auf unsere Leistungen, und wir möchten, dass das auch gesehen und gewürdigt wird, was wir geschaffen und geschafft haben. Das müssen gar nicht die großen Statussymbole sein – Haus, Auto und in unserem Fall: Leben im sonnigen Süden. Es sind ja immer noch die kleinen Dinge, wo wir es uns und anderen gern beweisen, wie toll wir sind. Es freut uns doch, wenn der selbst gebackene Kuchen beim Gemeindefest gelobt wird. Wenn wir beim Preisskat gut abschneiden. Wenn wir eine gute Idee haben, sie umsetzen und dafür gelobt werden...

Ich könnte auch konkret von mir sprechen: Ich freue mich, wenn mir gesagt wird, dass die Predigt gut war. Oder wie toll es ist, dass ich im Ernstfall auch noch Klavier oder Orgel spielen kann.

Es ist normal, es ist menschlich: Wir wollen etwas leisten, wir wollen uns etwas leisten, wir wollen gut sein und es nach außen zeigen, und wir wollen dafür Lob und Anerkennung haben.

Das ist für mich – heruntergebrochen auf unsere normales Leben – das, was die Bibel mit Sich-Rühmen meint: Stolz auf sich sein und Anerkennung heischen. Das ganz normale „Guck mal, was ich bin! Guck mal, was ich kann!“

Und nun – wir haben es gehört, wir haben es geahnt: Es ist schlecht. Es ist verkehrt. Wir sollen uns nicht rühmen. Wir sollen nicht stolz sein. Wir sollen uns nichts einbilden auf das, was wir haben, und das, was wir draufhaben: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.

Mir fällt ein Lied unseres erzgebirgischen Heimatdichters Anton Günther ein: „Bild dr nischt ei, bist ner a Mensch, kaast wetter nischt sei.“

Man kann es ja auch von der anderen Seite her sehen: Leute, die ihre vermeintlichen oder tatsächlichen Leistungen und Errungenschaften allzu stolz und offensichtlich präsentieren, sind uns unangenehm: „Mein Haus! Mein Auto! Meine Yacht! Meine Pferde!“ – Ein Klassiker unter den Werbespots, weil er so schön mit dem eigentlich tabuisierten und andererseits doch so beliebten Prahlen und Protzen spielt. Wir wollen ja alle was vorzuweisen haben. Und doch ist es peinlich, wenn es zu offensichtlich und offensiv passiert.

Vor allem, ist es uns unangenehm, wenn ein anderer wirklich mehr vorzuweisen hat, als wir selber. Dann setzen die Neidreflexe ein: „Boah! Der ist eingebildet! Der hat doch nur Schwein gehabt! Oder ist Schwein gewesen...“

Wir merken: Es ist eine zweischneidige Sache mit dem Sich-Rühmen. Einerseits brauchen wir es, dass wir etwas vorweisen können. Wir brauchen es, um Anerkennung zu kriegen. Wir brauchen es für unser Selbstbewusstsein. Andererseits steht, wer sich rühmt, schnell bei den Angebern, Großmäulern und Egomanen.

Aber schauen wir genau hin. Die Bibel hat ja nicht prinzipiell was gegen das Sich-Rühmen. Gerühmt muss werden, sagt auch der Apostel Paulus im Neuen Testament (2. Korinther 12, 1). Es kommt nur darauf an, wessen sich jemand rühmt. Weisheit, Stärke und Reichtum sollten es jedenfalls nicht sein.

Denn: Ein Weiser, der sich seiner Weisheit rühmt, ist gerade nicht weise. Wahre Weisheit präsentiert sich nicht selber, sondern wird von anderen entdeckt und erkannt.

Ein Starker, der sich seiner Stärke rühmt, zeigt damit nicht unbedingt Stärke. Es ist doch meistens besser, unterschätzt zu werden und dann überraschend seine wahre Stärke auszuspielen, als umgekehrt erst den starken Max herauszukehren und dann, wenn's drauf ankommt, doch zu unterliegen.

Und ein Reicher, der sich seines Reichtums rühmt, ist wahrscheinlich in geistiger Hinsicht ziemlich arm. Denn Reichtum ist manchmal zwar durchaus eigener Verdienst, aber kein Wert an sich. Entscheidend ist, ob man es auch versteht, mit seinem Reichtum sich und andere glücklich zu machen.

Also: Wer sich rühmen will, der darf das durchaus tun. Es kommt nur darauf an, wessen er sich rühmt. Und da fallen in der zweiten Hälfte unseres kleinen Bibelabschnitts doch schöne Worte: Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit.

Wie wäre das, wenn wir uns dessen rühmen könnten, dass wir barmherzig sind, rechtschaffen und gerecht? – Ich glaube, das ist heute eine sehr beliebte Variante des „Guck mal, wie toll ich bin!“ Ich spende für arme Kinder in der Dritten Welt oder engagiere mich für den Tierschutz. Wenn ich eine Fernreise mache, zahle ich etwas dazu, damit meine CO2-Emission durch neu angepflanzten Regenwald ausgeglichen wird. Ich esse „bio“, weil das angeblich gesünder und ökologischer ist. Ich bin gegen Castortransporte – obwohl das Zeug nun mal da ist und gar nicht besser und sicherer transportiert und gelagert werden kann. Ich respektiere andere Kulturen – auch wenn die Angehörigen dieser Kulturen vor unserer Haustür ihre Frauen unter Kopftüchern verstecken und ihre Kinder zwangsverheiraten und etwas weiter weg christliche Kirchen anzünden. Ich klatsche Beifall, wenn jemand vorschlägt, mit den Taliban zu beten; und ich protestiere, wenn Bundeswehrangehörige in Afghanistan für Freiheit und Sicherheit vor den Taliban ihr Leben riskieren. – Ich könnte fortsetzen. Ihr merkt, ich rede von denen, die man gerne als Gutmenschen bezeichnet, nicht weil sie besonders gut sind, sondern weil sie sich besonders gut vorkommen. Weil sie sich für die wahrhaft Barmherzigen, Rechtschaffenen und Gerechten halten und dabei übersehen, dass die Dinge meistens ein klein wenig komplizierter sind, als sie meinen.

Auch wer sich seiner Barmherzigkeit, Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit rühmt, rühmt sich verkehrt. Auch ihm geht es nur um das „Guck mal, wie toll ich bin!“ Und wenn dann jemand kommt und sagt: „Ist gar nicht so toll, was du da machst!“ – wenn er zum Beispiel sagt, dass „bio“ nachweislich nicht gesünder ist – denn biologische Gifte – Keime, Bakterien, Viren, Pilze – sind viel häufiger und in höherem Maße krankmachend als chemische Pflanzenschutzmittel – man denke nur an die hochinfektiösen Bio-Sprossen im letzten Jahr –; wenn jemand so was sagt, dann wird er von denen, die so gerne die Guten sein wollen, ganz schnell in die böse Ecke gestellt. Denn das kratzt am Selbstbewusstsein, wenn man gesagt kriegt, dass man gar nicht so toll ist, wie man gerne sein möchte.

Nein, Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit sind auch nicht die Dinge, deren wir uns rühmen sollen. Im guten Sinne sind das ja nichts als Selbstverständlichkeiten.

Aber es steht ja auch was anderes da, in unserem Bibelwort: Wer sich rühmen will, der rühme sich, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden.

Statt „Guck mal, wie toll ich bin!“ sollten wir also lieber sagen: „Guck mal, wen ich Tolles kenne!“ Nämlich Gott!

Das ist ja auch gar nicht so abwegig: Sich rühmen, stolz darauf sein, dass man jemanden kennt. Man sonnt sich in dessen Ruhm. Meine Frau war zum Beispiel stolz darauf, dass sie mit ihrem Schulchor mal beim Bundespräsidenten eingeladen war – das war noch ein anderer, als der jetzt... Jemand anderes ist stolz darauf, mal irgendeinem Star die Hand gedrückt zu haben oder mit einem heutigen Politiker in die Schule gegangen zu sein. Und manchmal können Beziehungen in höhere Kreise doch auch sehr hilfreich und angenehm sein.

Nun geht es in der Bibel aber nicht um irgendwelche Bekanntschaften oder Beziehungen, sondern es geht um die allerhöchste Bekanntschaft, die wir haben können, um die allerbeste Beziehung, die es nur geben kann. Es geht nicht um die Bundeskanzlerin oder den US-Präsidenten oder den Papst. Es geht um Gott. Es geht um unsere Beziehung zu Gott. Ihn kennen, Gott kennen, den Schöpfer der Welt – das isses! Darauf können wir wirklich stolz sein. Dessen sollen wir uns rühmen! Das ist doch wirklich toll!

Wir, die wir so stolz sind auf unsere kleinen irdischen Erfolge und Errungenschaften, wir könnten und sollten viel mehr stolz sein, dass wir den ewigen Gott kennen. Wir, die wir uns auf unsere moralischen Qualitäten etwas einbilden, sollten viel mehr Gottes Qualitäten entdecken und rühmen. Er ist es nämlich, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden. – Ich weiß, hier mögen sich Fragen und Zweifel melden; über die müssen wir ein anderes Mal reden. – Für heute möchte ich das festhalten: Gott ist der Höchste und Beste, der Ewige und Vollkommene. Vor ihm verblasst alles andere. Er allein ist rühmenswert. Und wenn wir schon meinen, wir müssten uns selber rühmen, dann doch nur so, dass wir uns Gottes rühmen.
Denn es ist doch so: Was immer ich bin, was immer ich kann, was immer ich vollbringe, ich bin es von Gott her, ich kann es von Gott her, ich schaffe es von Gott her. Er hat mich geschaffen und begabt. Und er gibt sich mir zu erkennen. Ich kann und darf es wissen: Alles kommt mir von ihm her zu. Und darum, wenn ich mich rühme, dann rühme ich mich Gottes. Wenn ich stolz bin, dann darauf, dass Gott mich kennt und beschenkt – und vor allem: mir die Anerkennung gibt, die ich mir so sehr wünsche.

Stolz darauf sein, Gott zu kennen – so sollte es doch sein, oder? – Komisch, dass wir uns so gerne unserer eigenen Qualitäten rühmen, dass wir so gerne zeigen, was wir selber sind und haben, können und leisten, aber gleichzeitig so leise und bescheiden werden, wenn es um unseren Glauben geht, um unser Christsein! Andere wissen so viel von dir: Wo du wohnst, mit wem du zusammenlebst, was du für ein Auto fährst, wo du arbeitest oder gearbeitet hast, was deine Hobbys sind und wie du politisch denkst. Wissen sie auch, dass du Christ bist, dass du an Gott glaubst und ihn persönlich kennst? – Wenn nicht, dann lass es sie wissen: „Guck mal, wen ich Tolles kenne!“ Darauf kannst du doch wirklich stolz sein!

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