Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch! Darum kennt uns die Welt nicht; denn sie kennt ihn nicht. Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.
Und ein jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, wie auch jener rein ist. Wer Sünde tut, der tut auch Unrecht, und die Sünde ist das Unrecht. Und ihr wisst, dass er erschienen ist, damit er die Sünden wegnehme, und in ihm ist keine Sünde. Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht; wer sündigt, der hat ihn nicht gesehen und nicht erkannt.
1. Johannes 3, 1-6
Liebe Schwestern
und Brüder,
Weihnachten ist
nicht nur am Heiligen Abend. Weihnachten ist heute. Weihnachten ist
morgen. Die Weihnachtszeit im engeren Sinne geht bis zum 6. Januar – Epiphanias, Dreikönige, Hohneujahr, wie auch immer man diesen Tag
nennen mag. Die Weihnachtszeit im weiteren Sinne geht bis zum 2.
Februar – Mariä Lichtmess. Und Weihnachten im eigentlichen Sinne geht
immer noch weiter und weiter und weiter.
Weil Weihnachten
das Fest der Liebe ist, und die Liebe hört niemals auf. Liebe nur
für eine Nacht ist keine Liebe. Liebe nur für ein paar Wochen, ist
keine Liebe. – Weihnachten ist das Fest von Gottes Liebe, und die
hört niemals auf. Gottes Liebe ist kein One-Night-Stand. Gottes
Liebe ist keine kurze Affäre. Gottes Liebe geht weit über
Weihnachten hinaus, sie geht weiter und weiter und weiter.
Aber Weihnachten
sehen wir sie klar und deutlich, Gottes Liebe: Seht, welch eine
Liebe hat uns der Vater erwiesen! Wir sehen Gottes Liebe im Kind
in der Krippe. Mit denen, die von Anfang an hingeschaut haben,
hingegangen sind, es gesehen haben und froh geworden sind: Die
Gestalten der Weihnachtsgeschichte: Hirten und Könige, Tiere und
Engel: das heißt Reiche und Arme, Schlaue und Schlichte, ja die
sichtbare und die unsichtbare Kreatur. Sie sehen und stehen und
staunen.
Wo die
Kirchengemeinden Krippenspiele aufführen, wird es oft so sichtbar
gemacht, dass noch andere Menschen mit an die Krippe treten: der
Herbergswirt, ein Bettler, Soldaten … Meistens habe ich mich am
Ende des Krippenspiels auch mit dazugestellt. Und das Krippenbild ist
ja auch immer offen zur Gemeinde hin. Wir sind mit hineingenommen in
die Weihnachtsgeschichte. Wir sind dabei, alle Jahre wieder. Wir
staunen und stehen und sehen: Gottes Liebe in Gestalt des Kindes. So
ist es auch bei uns, auch wenn uns die Krippe heute nur vor dem
inneren Auge steht: Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater
erwiesen!
Gibt es eigentlich
einen stärkeren Ausdruck für Liebe als ein Kind?
Das Dasein eines
Kindes, seine Geburt verdankt sich der Liebe. Jedenfalls sollte es so
sein. Und wenn es geboren ist, dann müssen wir es einfach liebhaben.
Ein kleines Kind muss nichts dafür tun, um geliebt zu werden. Es
kann schreien, es kann seinen Eltern den Schlaf rauben – wir lieben
es.
Und ein Kind
strahlt selber Liebe aus. Es schmiegt sich an seine Mutter. Bald
nimmt es mit seinem Lächeln alle für sich ein. Oder aber fordert
mit seinem Weinen die liebevolle und tröstende Zuwendung ein. –
Das ist bei Gottes Kind nicht anders: Es zieht die Aufmerksamkeit
auf sich. Es zieht die Menschen an, und sie schenken ihm ihre Liebe
und empfangen von ihm seine Liebe – Gottes Liebe.
Ich fand diesen
Vers ja lange Zeit kitschig, aber eigentlich stimmt es doch: Gottes
Sohn, o wie lacht Lieb aus deinem göttlichen Mund, da uns schlägt
die rettende Stund, Christ in deiner Geburt.
Diese Liebe lacht
uns nicht nur in der Weihnachtsnacht an. Nein, es ist ja Gottes ewige
Liebe, sie geht weit über Weihnachten hinaus, sie geht weiter und
weiter und weiter.
Sie geht weiter im
Leben dieses Kindes, als es dann ein Mann wird, als dieser Mann in
die Öffentlichkeit geht, auf die Menschen zugeht, die genau diese
Liebe, Gottes Liebe brauchen. Das ist dann keine gefühlsduselige
Liebe mehr, sondern Liebe in Worten und Taten. Er hat das rechte Wort
zur rechten Zeit und die helfende Tat, für die, die sie brauchen.
Für die Armen und auch für die Reichen. Für die Kranken und auch
für die Gesunden. Für die Sünder und auch für die Gerechten. Und
selbst da, wo seine Worte und Taten jemandem wehgetan haben, waren es
doch Worte und Taten der Liebe.
Diese Liebe, Gottes
Liebe, geht noch weiter: Sie geht aufs Ganze, sie geht ans Kreuz. Die
gottlose, lieblose Welt stört sich und widersteht seiner Liebe. Sie
möchte kein Weihnachten, sie möchte keinen Gott, sie möchte schon
gar keinen menschlichen, liebevollen Gott. Darum sucht sie ihn zu
töten. Aber die Liebe lässt sich nicht töten. Liebe ist stärker
als der Tod. Die Liebe überlebt Kreuz und Tod. Als Jesus stirbt, als
Jesus vom Tode aufersteht, können wir Gottes Liebe sehen, die die
Lieblosigkeit besiegt, die die Welt überwindet.
Weihnachten, die Geburt des Kindes ist erst der Anfang der Liebesgeschichte Gottes mit den Menschen. Sie geht weiter. Karfreitag und Ostern gehören mit dazu. Und sie sind in Weihnachten schon mit enthalten. Die Armut der Krippe lässt künftiges Leiden erahnen. Und das himmlische Licht und der englische Lobgesang nimmt das Licht des Ostertages und den Jubel über die Auferstehung vorweg. Weihnachten ist der Anfang dieser Liebesgeschichte, aber in diesem Anfang ist schon alles, die ganze Geschichte.
Weihnachten, die Geburt des Kindes ist erst der Anfang der Liebesgeschichte Gottes mit den Menschen. Sie geht weiter. Karfreitag und Ostern gehören mit dazu. Und sie sind in Weihnachten schon mit enthalten. Die Armut der Krippe lässt künftiges Leiden erahnen. Und das himmlische Licht und der englische Lobgesang nimmt das Licht des Ostertages und den Jubel über die Auferstehung vorweg. Weihnachten ist der Anfang dieser Liebesgeschichte, aber in diesem Anfang ist schon alles, die ganze Geschichte.
Auch wir. Es ist ja
die Liebesgeschichte Gottes mit uns: Seht, welch eine Liebe hat
uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und
wir sind es auch.
Ein Kind ist
Inbegriff der Liebe. Und Gottes Liebe macht uns zu Kindern. So wie
wir ein Kind liebhaben, nein, noch viel mehr, so liebt uns Gott.
Bedingungslos. Ein Kind muss nichts dafür tun, um von seinen Eltern
geliebt zu werden. Wir müssen nichts dafür tun, um von Gott geliebt
zu werden.
Vielleicht wollen
wir ja, so wie gute Kinder ihren Eltern gefallen wollen, unserem
himmlischen Vater gefallen. Das ist in Ordnung so. Aber seine Liebe
verdienen, indem wir bei Gott Pluspunkte sammeln, gute Taten tun, um
von ihm Lob, Anerkennung oder Belohnung zu erhalten, das funktioniert
nicht. Liebe ist ein Geschenk, sein Geschenk. Sie ist schon da,
unverdient. Nicht als Belohnung für unsere guten Taten, nicht als
Lob und Anerkennung für irgendwas.
Jesus hat, als er
groß war, eine Geschichte erzählt – ihr kennt sie: die Geschichte
von einem, der auszog, um mit seinem Leben ohne Gott klarzukommen. Er
ist gescheitert. Er ist in der Gosse und im Schweinestall gelandet,
und er ist zu seinem Vater zurückgekehrt – mit leeren Händen.
Aber wie auch immer: er war der geliebte Sohn. Der Vater hat ihn in
die Arme geschlossen und ein Fest mit ihm gefeiert. – So ist Gottes
Liebe, Gottes bedingungslose Liebe.
Wir müssen nichts
tun für Gottes Liebe. Aber Gottes Liebe tut etwas mit uns. Sie prägt
uns. Sie verändert uns. Liebende werden einander ähnlicher. Und von
Gott geliebte Menschen werden ihm ähnlicher. Nachdem er uns ähnlich
geworden ist: als Mensch, als Kind. Unser Leben als Gottes Kinder
wird liebevoll.
Vielleicht klangen
die Worte über Sünde und Unrecht im Predigttext befremdlich und
streng. So sind sie aber gar nicht gemeint. Sie sollen uns auch nur
an Gottes Liebe erinnern. Sünde ist nichts anderes als
Lieblosigkeit. Die Lieblosigkeit, die gar nicht zu uns passt, wenn
wir doch Gottes Kinder heißen und es auch sind. Leben, als ob Gottes
Liebe nicht zur Welt gekommen wäre, als ob es kein Weihnachten gäbe,
das ist Sünde. Die Lieblosigkeit, in der Menschen miteinander
umgehen, in der Menschen sich schaden, wehtun, verletzen und gar
umbringen, das ist Sünde. In dieser Lieblosigkeit sollen, wollen,
können wir nicht mehr leben, wenn wir Gottes Kind in der Krippe
begegnet sind.
Die Liebe, die uns
aus der Krippe, die uns aus dem ganzen Leben Jesu entgegenstrahlt,
die macht uns auch ihm ähnlicher: Sie macht auch uns fähig zum
rechten Wort und zur helfenden Tat, für die, die sie brauchen.
Auch so und gerade
so geht Weihnachten weiter: Wenn Gottes Liebe uns verändert und uns
zu liebevollen Menschen macht. Gottes Liebe ist Kind geworden. Gottes
Liebe macht uns zu Kindern, zu Gottes Kindern. Gottes Liebe geht
weiter und weiter und weiter – in Ewigkeit. Das Fest hat gerade
erst begonnen.
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