Montag, 19. Dezember 2011

Predigt am 18. Dezember 2011 (4. Advent)

Gott ist mein Zeuge, dass unser Wort an euch nicht Ja und Nein zugleich ist. Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der unter euch durch uns gepredigt worden ist, durch mich und Silvanus und Timotheus, der war nicht Ja und Nein, sondern es war Ja in ihm. Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja; darum sprechen wir auch durch ihn das Amen, Gott zum Lobe. Gott ist's aber, der uns fest macht samt euch in Christus und uns gesalbt und versiegelt und in unsre Herzen als Unterpfand den Geist gegeben hat.
2. Korinther 1, 18-22




Liebe Schwestern und Brüder,

manchmal werden wir nach etwas gefragt und die Antwort ist schlicht und einfach Ja oder Nein: Kommst du nach dem Gottesdienst mit zum Kirchencafé? – Ja oder Nein? Eigentlich ist die Antwort ganz einfach bei solchen Entscheidungsfragen. Aber in Wirklichkeit müssen wir doch drüber nachdenken, denn wir müssen eine Entscheidung treffen: Ja oder Nein? Will ich wirklich mitgehen oder nicht? Vielleicht habe ich mich schon zuvor entschieden, dann ist alles klar. Oder aber ich muss noch nachdenken, überlegen, abwägen. Dann kommen zum klaren Ja oder Nein noch weitere Antwortalternativen hinzu: Weiß nicht, Vielleicht.

Ja – nein – vielleicht – weiß nicht. Da haben wir schon das perfekte Fragebogenraster für alle Fälle:
Sind Sie mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden? – Ja – nein – vielleicht – weiß nicht.
Geben Sie in diesem Jahr mehr für Weihnachtsgeschenke aus als im letzten Jahr? – Ja – nein – vielleicht – weiß nicht.
Befürworten Sie Sex in der Ehe? – Ja – nein – vielleicht – weiß nicht.
Gibt es ein Leben vor dem Tod?  – Ja – nein – vielleicht – weiß nicht. 
Usw.

Es gibt viele Entscheidungsfragen, aber wir müssen uns nicht entscheiden. Wir können Vielleicht sagen, wir können im Ungefähren bleiben, wir können uns hinter unserer Unwissenheit verstecken.

Es gibt freilich auch Situationen, wo wir das nicht können. Zum Beispiel im Standesamt oder vor dem Traualtar: Willst du diese NN zur Ehefrau nehmen? So antworte Ja oder Nein, Vielleicht oder Ich weiß nicht. – Geht nicht. Da ist eine klare Antwort gefordert. Denn die Entscheidung ist ja auch schon lange vorher gefallen.

Einerseits. Andererseits: Wie ernst ist mir dieses Ja? Wie lange gilt es? – In guten wie in bösen Tagen bis der Tod euch scheidet – so heißt es immer noch in unseren Trauagenden. Und manchen gefällt das gar nicht mehr. Sie fühlen sich überfordert von einem so weit reichenden Ja. Sie möchten vielleicht lieber ein eingeschränktes Ja sagen: In guten Tagen, so lange wir es miteinander aushalten, bis der Richter uns scheidet … – Sie sagen Ja zu einer Lebensabschnittspartnerschaft, aber eine Ehe in unserem Sinne wäre das nicht.

Ich denke an andere Ja-Worte, die wir auch vor dem Altar Gottes und der Gemeinde gesagt haben: das Ja, mit dem wir versprochen haben, als Eltern und Paten unsere Kinder zum christlichen Glauben hinzuführen. Das Ja, mit dem wir bei der Konfirmation versprochen haben, im Glauben zu wachsen und in der Gemeinschaft der Kirche zu bleiben.

Bei manchen waren solche Ja-Worte von vornherein ein Vielleicht oder ein Weiß-nicht. Bei anderen waren sie sehr ernst gemeint, und dann ist es doch anders gekommen. Sie haben sich gewissermaßen selber von ihrem Versprechen entbunden. Aber konnten sie das? Bei einem Versprechen, das ausdrücklich vor Gott gegeben wurde?

Manchmal hat das ja auch mit Ehrlichkeit zu tun, mit Ehrlichkeit vor sich selber. Da ist einem unter den Anforderungen und Anfechtungen des Lebens der Glaube zerbrochen. Und um mit sich selber im Reinen zu sein, musste er das Ja zu Gott zurückziehen. – Aber das ist wohl eher die Ausnahme. Für viele ist ihr Ja einfach verblasst. Die Prioritäten haben sich verschoben, der Glaube ist unwichtig geworden. Es ist gewiss kein Nein daraus geworden, aber ein Vielleicht, Ich weiß nicht.

Nicht nur in den entscheidenden Lebens- und Glaubensfragen, auch in den alltäglichen Entscheidungen ist es nicht immer so einfach mit dem Ja und dem Nein. Eure Rede sei Ja, ja, nein, nein, sagt Jesus (Matthäus 5, 37). Ja, aber, sagen wir. In den allermeisten Fällen sind wir uns nicht so ganz sicher mit dem Ja und dem Nein. Es gibt so viele Ungewissheiten und Unwägbarkeiten. So oft, kommt es anders als wir dachten. Sollten wir nicht ehrlicherweise lieber gleich sagen: Vielleicht, ich weiß nicht?

Paulus, dem Apostel, ist es ganz ähnlich ergangen: Er hatte den Christen in Korinth angekündigt, er werde sie persönlich besuchen, aber dann ist er doch nicht gekommen. Und nun schreibt er einen Brief und entschuldigt sich wortreich. Ja, er hatte kommen wollen, aber, nein, er hat sich anders entschieden. Und trotzdem, sagt er, ist sein Wort deshalb nicht unzuverlässig, wird aus seinem Ja nicht einfach ein Nein, so wie das bei Ehepaaren oder Konfirmanden nach ein paar Jahren passieren kann.

Tatsache ist auch hier, dass es manchmal einfach anders kommt, als wir dachten. Vielleicht hätte er vorsichtiger sein sollen und sagen: Ich komme vielleicht, ich weiß es noch nicht. – So ist das nun mal bei uns Menschen. Sein Kollege Jakobus hat für diese Unwägbarkeit eine schöne Formulierung gefunden: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun (Jakobus 4,15). – Damit wäre man immer auf der sicheren Seite: So Gott will und wir leben. – Wobei das für die wichtigsten Dinge aber doch keine Ausrede ist: Denn bei der Beständigkeit der Ehe und des Glaubens wissen wir schon ganz genau, was Gott will: nämlich, dass wir zu unserem Ja stehen und es durchhalten.

Letztlich sehen aber Paulus und Jakobus etwas ganz Richtiges und Wichtiges: Wirklich verlässlich ist nur Gott. Sein Ja ist und bleibt ein Ja. Und sein Nein … nein, sein Nein bleibt nicht immer ein Nein. Das ist das Großartige an Gott. Gott kann seine Meinung ändern, er kann umdenken, sich bekehren, wie ich vor zwei Wochen gesagt habe. Aber das ist dann immer nur ein Umdenken vom Nein zum Ja. Wo Gott richtet, verurteilt, straft, da wendet er sich oft genug dem Gestraften, dem Verlorenen, dem Verdammten wieder zu, und ermöglicht einen neuen Anfang. Denn auch Gottes Nein ist eingeschlossen in das große Ja, das er über uns spricht.

Gottes Ja ist und bleibt ein Ja. Gott wird sich, Gott wird uns nicht untreu. Gott lässt sich nicht scheiden von uns. Gott zweifelt und verzweifelt nicht an dir, an mir.

Gott ist treu, Gott sagt Ja. Was er sich vornimmt, was er verspricht, das macht er auch wahr. Dafür steht ja auch der Apostel Paulus selber mit seiner Botschaft: Gott ist treu, Gott ist glaubwürdig und wahrhaftig. Er hat es wahr gemacht, was er versprochen hat: durch Jesus Christus.

Als Jesus zur Welt gekommen ist, als Weihnachten wurde, da hat Gott sein altes Versprechen wahr gemacht: den Retter, den Erlöser, den Heiland der Welt gesandt. Nicht umsonst werden zu Weihnachten die prophetischen Weissagungen über den Messias gelesen. Nicht umsonst heißt es in den Geschichten von Jesu Geburt immer wieder: auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten sagt, so besonders bei Matthäus. Bei Lukas geschieht es eher indirekt, etwa wenn Maria in ihrem Lobgesang, den wir vorhin als Evangelium gehört haben, sagt: Gott gedenkt seiner Barmherzigkeit …, wie er geredet hat zu unsern Vätern … (Lukas 1,54f).

Gott hält sein Versprechen, Gott steht zu seinem Ja – nicht nur zu Weihnachten, sondern in der ganzen Geschichte Jesu, auch in seinem Leiden und Sterben – und dann in seinem Auferstehen.

Gott steht zu seinem Ja, er hält sein Versprechen – das ist nun auch die großartige Botschaft für uns. Denn wir kennen ja Gottes Versprechen:
Er verspricht uns Leben und volle Genüge.
Er verspricht uns Trost und Freude.
Er verspricht uns die Vergebung und den Neuanfang.
Kurz: Er verspricht uns das ewige Heil.

Ja, das ist Gottes verlässliches Ja für unser Leben. Zu Weihnachten sehen wir es in der Krippe liegen.

Ich habe vorhin über unsere Jas gesprochen und wie wenig verlässlich sie sind. Auch unsere ganz ernst gemeinten Ja-Worte: bei der Trauung, bei der Taufe, bei der Konfirmation. Ich bin froh, dass es am Ende – und auch schon am Anfang – nicht an unserem Ja liegt. Am Anfang und am Ende ist Gottes Ja.

In der Taufe hat er uns als seine Kinder angenommen, aus lauter Güte und Barmherzigkeit. Er hat uns angenommen, nicht weil wir Ja gesagt haben, falls wir das schon konnten, nicht weil unsere Eltern Ja gesagt haben. Nein, es war umgekehrt: Sie oder wir haben Ja gesagt, weil Gottes Ja zuvor schon feststand.

Bei der Konfirmation wurde uns mit dem Segen sein Ja-Wort und sein Heiliger Geist erneut zugesprochen. Konfirmation heißt Befestigung, Bestätigung – viele von uns kennen die Vokabel confirmación auch aus dem Spanischen. Und wir gebrauchen das Wort passiv: Die Konfirmanden werden konfirmiert – befestigt und bestätigt in ihrem Glauben. Nämlich durch Gott, den Heiligen Geist. Unser Ja-Wort bei der Konfirmation war nur die Antwort auf Gottes Ja, das er schon lange gegeben hatte.

Und bei der Trauung? Da heißt es: Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden (Matthäus 19, 6). Also auch da ist zuerst Gottes Ja, sein Zusammenfügen. Die Brautleute sagen dann nur noch Ja zu dem, was Gott getan hat. Und das macht es dann auch wirklich so ernst, wenn Ehen auseinandergerissen werden. Das ist dann nicht nur das Zurücknehmen des Ja-Wortes, das wir selber einmal gesagt haben – wir könnten ja sagen: Wir haben es nicht geschafft, wir haben uns zu viel vorgenommen, wir haben uns vielleicht auch geirrt und wir haben versagt – nein, es ist darüber hinaus die Zurückweisung von Gottes Ja. Wir haben gegen seinen Willen das, was er zusammengefügt hat, auseinandergerissen. Ich glaube, so ernst muss man das sehen.

Dabei soll Gottes Ja aber nicht eine Drohung sein, sondern eine ganz große Ermutigung: Wenn Gott Ja sagt, dann könnt ihr, dann kannst du auch Ja sagen, immer wieder:
Du kannst Ja sagen zu deinem Ehepartner, mit dem du es schwer hast.
Du kannst Ja sagen zu deinem Glauben, der mit allerlei Zweifeln zu kämpfen hat.
Du kannst Ja sagen zu deinem Leben, das immer noch mehr ist, als was du selber davon siehst.
Du kannst Ja sagen, weil Gott Ja sagt zu dir: Er sagt nicht Nein, nicht Vielleicht, nicht Weiß nicht. Gott sagt Ja. Und wir sagen Amen.

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