2. Korinther 1, 18-22
Liebe Schwestern und Brüder,
manchmal werden wir nach etwas gefragt
und die Antwort ist schlicht und einfach Ja oder Nein: Kommst du nach
dem Gottesdienst mit zum Kirchencafé? – Ja oder Nein?
Eigentlich ist die Antwort ganz einfach bei solchen
Entscheidungsfragen. Aber in Wirklichkeit müssen wir doch drüber
nachdenken, denn wir müssen eine Entscheidung treffen: Ja oder Nein?
Will ich wirklich mitgehen oder nicht? Vielleicht habe ich mich schon
zuvor entschieden, dann ist alles klar. Oder aber ich muss noch
nachdenken, überlegen, abwägen. Dann kommen zum klaren Ja oder Nein
noch weitere Antwortalternativen hinzu: Weiß nicht, Vielleicht.
Ja – nein – vielleicht – weiß
nicht. Da haben wir schon das
perfekte Fragebogenraster für alle Fälle:
Sind Sie mit der
Arbeit der Bundesregierung zufrieden? – Ja – nein – vielleicht
– weiß nicht.
Geben Sie in diesem Jahr mehr für Weihnachtsgeschenke aus als im letzten Jahr? – Ja – nein – vielleicht – weiß nicht.
Befürworten Sie Sex in der Ehe? – Ja – nein – vielleicht – weiß nicht.
Geben Sie in diesem Jahr mehr für Weihnachtsgeschenke aus als im letzten Jahr? – Ja – nein – vielleicht – weiß nicht.
Befürworten Sie Sex in der Ehe? – Ja – nein – vielleicht – weiß nicht.
Gibt es ein Leben vor dem Tod?
– Ja – nein – vielleicht – weiß nicht.
Usw.
Usw.
Es gibt viele
Entscheidungsfragen, aber wir müssen uns nicht entscheiden. Wir
können Vielleicht sagen, wir können im Ungefähren bleiben,
wir können uns hinter unserer Unwissenheit verstecken.
Es gibt freilich
auch Situationen, wo wir das nicht können. Zum Beispiel im
Standesamt oder vor dem Traualtar: Willst du diese NN zur Ehefrau
nehmen? So antworte Ja oder Nein, Vielleicht oder Ich weiß nicht. –
Geht nicht. Da ist eine klare Antwort gefordert. Denn die
Entscheidung ist ja auch schon lange vorher gefallen.
Einerseits.
Andererseits: Wie ernst ist mir dieses Ja? Wie lange gilt es? – In
guten wie in bösen Tagen bis der Tod euch scheidet – so heißt
es immer noch in unseren Trauagenden. Und manchen gefällt das gar
nicht mehr. Sie fühlen sich überfordert von einem so weit
reichenden Ja. Sie möchten vielleicht lieber ein eingeschränktes Ja
sagen: In guten Tagen, so lange wir es miteinander aushalten, bis
der Richter uns scheidet … – Sie sagen Ja zu einer
Lebensabschnittspartnerschaft, aber eine Ehe in unserem Sinne wäre
das nicht.
Ich denke an andere
Ja-Worte, die wir auch vor dem Altar Gottes und der Gemeinde gesagt
haben: das Ja, mit dem wir versprochen haben, als Eltern und Paten
unsere Kinder zum christlichen Glauben hinzuführen. Das Ja, mit dem
wir bei der Konfirmation versprochen haben, im Glauben zu wachsen und
in der Gemeinschaft der Kirche zu bleiben.
Bei manchen waren
solche Ja-Worte von vornherein ein Vielleicht oder ein
Weiß-nicht. Bei anderen waren sie sehr ernst gemeint, und
dann ist es doch anders gekommen. Sie haben sich gewissermaßen
selber von ihrem Versprechen entbunden. Aber konnten sie das? Bei
einem Versprechen, das ausdrücklich vor Gott gegeben wurde?
Manchmal hat das ja
auch mit Ehrlichkeit zu tun, mit Ehrlichkeit vor sich selber. Da ist
einem unter den Anforderungen und Anfechtungen des Lebens der Glaube
zerbrochen. Und um mit sich selber im Reinen zu sein, musste er das
Ja zu Gott zurückziehen. – Aber das ist wohl eher die Ausnahme.
Für viele ist ihr Ja einfach verblasst. Die Prioritäten haben sich
verschoben, der Glaube ist unwichtig geworden. Es ist gewiss kein
Nein daraus geworden, aber ein Vielleicht, Ich weiß nicht.
Nicht nur in den
entscheidenden Lebens- und Glaubensfragen, auch in den alltäglichen
Entscheidungen ist es nicht immer so einfach mit dem Ja und dem Nein.
Eure Rede sei Ja, ja, nein, nein, sagt Jesus (Matthäus 5, 37). Ja, aber,
sagen wir. In den allermeisten Fällen sind wir uns nicht so ganz
sicher mit dem Ja und dem Nein. Es gibt so viele Ungewissheiten und
Unwägbarkeiten. So oft, kommt es anders als wir dachten. Sollten wir
nicht ehrlicherweise lieber gleich sagen: Vielleicht, ich weiß
nicht?
Paulus, dem
Apostel, ist es ganz ähnlich ergangen: Er hatte den Christen in
Korinth angekündigt, er werde sie persönlich besuchen, aber dann
ist er doch nicht gekommen. Und nun schreibt er einen Brief und
entschuldigt sich wortreich. Ja, er hatte kommen wollen, aber, nein,
er hat sich anders entschieden. Und trotzdem, sagt er, ist sein Wort
deshalb nicht unzuverlässig, wird aus seinem Ja nicht einfach ein
Nein, so wie das bei Ehepaaren oder Konfirmanden nach ein paar Jahren
passieren kann.
Tatsache ist auch
hier, dass es manchmal einfach anders kommt, als wir dachten.
Vielleicht hätte er vorsichtiger sein sollen und sagen: Ich komme
vielleicht, ich weiß es noch nicht. – So ist das nun mal bei
uns Menschen. Sein Kollege Jakobus hat für diese Unwägbarkeit eine
schöne Formulierung gefunden: Wenn der Herr will, werden wir
leben und dies oder das tun (Jakobus 4,15). – Damit wäre man
immer auf der sicheren Seite: So Gott will und wir leben. –
Wobei das für die wichtigsten Dinge aber doch keine Ausrede ist:
Denn bei der Beständigkeit der Ehe und des Glaubens wissen wir schon
ganz genau, was Gott will: nämlich, dass wir zu unserem Ja stehen
und es durchhalten.
Letztlich sehen
aber Paulus und Jakobus etwas ganz Richtiges und Wichtiges: Wirklich
verlässlich ist nur Gott. Sein Ja ist und bleibt ein Ja. Und sein
Nein … nein, sein Nein bleibt nicht immer ein Nein. Das ist das
Großartige an Gott. Gott kann seine Meinung ändern, er kann
umdenken, sich bekehren, wie ich vor zwei Wochen gesagt habe.
Aber das ist dann immer nur ein Umdenken vom Nein zum Ja. Wo Gott
richtet, verurteilt, straft, da wendet er sich oft genug dem
Gestraften, dem Verlorenen, dem Verdammten wieder zu, und ermöglicht
einen neuen Anfang. Denn auch Gottes Nein ist eingeschlossen in das
große Ja, das er über uns spricht.
Gottes Ja ist und
bleibt ein Ja. Gott wird sich, Gott wird uns nicht untreu. Gott lässt sich nicht
scheiden von uns. Gott zweifelt und verzweifelt nicht an dir, an mir.
Gott ist treu, Gott
sagt Ja. Was er sich vornimmt, was er verspricht, das macht er auch
wahr. Dafür steht ja auch der Apostel Paulus selber mit seiner
Botschaft: Gott ist treu, Gott ist glaubwürdig und wahrhaftig. Er
hat es wahr gemacht, was er versprochen hat: durch Jesus Christus.
Als Jesus zur Welt
gekommen ist, als Weihnachten wurde, da hat Gott sein altes
Versprechen wahr gemacht: den Retter, den Erlöser, den Heiland der
Welt gesandt. Nicht umsonst werden zu Weihnachten die prophetischen
Weissagungen über den Messias gelesen. Nicht umsonst heißt es in
den Geschichten von Jesu Geburt immer wieder: auf dass erfüllt
würde, was der Herr durch den Propheten sagt, so besonders bei
Matthäus. Bei Lukas geschieht es eher indirekt, etwa wenn Maria in
ihrem Lobgesang, den wir vorhin als Evangelium gehört haben, sagt:
Gott gedenkt seiner Barmherzigkeit …, wie er geredet hat zu
unsern Vätern … (Lukas 1,54f).
Gott hält sein
Versprechen, Gott steht zu seinem Ja – nicht nur zu Weihnachten,
sondern in der ganzen Geschichte Jesu, auch in seinem Leiden und
Sterben – und dann in seinem Auferstehen.
Gott steht zu
seinem Ja, er hält sein Versprechen – das ist nun auch die
großartige Botschaft für uns. Denn wir kennen ja Gottes
Versprechen:
Er verspricht uns Leben und volle Genüge.
Er verspricht
uns Trost und Freude.
Er verspricht uns die Vergebung und den
Neuanfang.
Kurz: Er verspricht uns das ewige Heil.
Ja, das ist Gottes
verlässliches Ja für unser Leben. Zu Weihnachten sehen wir es in
der Krippe liegen.
Ich habe vorhin
über unsere Jas gesprochen und wie wenig verlässlich sie sind. Auch
unsere ganz ernst gemeinten Ja-Worte: bei der Trauung, bei der Taufe,
bei der Konfirmation. Ich bin froh, dass
es am Ende – und auch schon am Anfang – nicht an unserem Ja
liegt. Am Anfang und am Ende ist Gottes Ja.
In der Taufe hat er
uns als seine Kinder angenommen, aus lauter Güte und Barmherzigkeit.
Er hat uns angenommen, nicht weil wir Ja gesagt haben, falls wir das
schon konnten, nicht weil unsere Eltern Ja gesagt haben. Nein, es war
umgekehrt: Sie oder wir haben Ja gesagt, weil Gottes Ja zuvor schon
feststand.
Bei der
Konfirmation wurde uns mit dem Segen sein Ja-Wort und sein Heiliger
Geist erneut zugesprochen. Konfirmation heißt Befestigung,
Bestätigung – viele von uns kennen die Vokabel confirmación
auch aus dem Spanischen. Und wir gebrauchen das Wort passiv: Die
Konfirmanden werden konfirmiert – befestigt und bestätigt
in ihrem Glauben. Nämlich durch Gott, den Heiligen Geist. Unser
Ja-Wort bei der Konfirmation war nur die Antwort auf Gottes Ja, das
er schon lange gegeben hatte.
Und bei der
Trauung? Da heißt es: Was Gott zusammengefügt hat, das soll der
Mensch nicht scheiden (Matthäus 19, 6). Also auch da ist zuerst Gottes Ja, sein
Zusammenfügen. Die Brautleute sagen dann nur noch Ja zu dem, was
Gott getan hat. Und das macht es dann auch wirklich so ernst, wenn
Ehen auseinandergerissen werden. Das ist dann nicht nur das
Zurücknehmen des Ja-Wortes, das wir selber einmal gesagt haben – wir
könnten ja sagen: Wir haben es nicht geschafft, wir haben uns zu
viel vorgenommen, wir haben uns vielleicht auch geirrt und wir haben
versagt – nein, es ist darüber hinaus die Zurückweisung von
Gottes Ja. Wir haben gegen seinen Willen das, was er zusammengefügt
hat, auseinandergerissen. Ich glaube, so ernst muss man das sehen.
Dabei soll Gottes
Ja aber nicht eine Drohung sein, sondern eine ganz große Ermutigung:
Wenn Gott Ja sagt, dann könnt ihr, dann kannst du auch Ja sagen,
immer wieder:
Du kannst Ja sagen
zu deinem Ehepartner, mit dem du es schwer hast.
Du kannst Ja sagen
zu deinem Glauben, der mit allerlei Zweifeln zu kämpfen hat.
Du
kannst Ja sagen zu deinem Leben, das immer noch mehr ist, als was du
selber davon siehst.
Du kannst Ja sagen, weil Gott Ja sagt zu dir: Er
sagt nicht Nein, nicht Vielleicht, nicht Weiß
nicht. Gott sagt Ja. Und wir sagen Amen.
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